„You are an asshole“, bemerkt Ronney Mara als junge Kellnerin Julia in Alonso Ruizpalacios‘ turbulenter Theateradaption zutreffend zu ihrem Kindesvater und Kollegen Pedro (Raúl Briones). Der als sanguinisches Stereotyp des chauvinistischen Charmeurs dargestellte Koch am toxischen Titelort ist nicht nur auf dramatischer Ebene Hauptcharakter und Herz der explosiven Interpretation Arnold Weskers Bühnenstücks The Kitchen. Seine Antwort „Yes. But you ike it.“ bündelt die ambivalente Attraktivität der Szenerie, deren systempolitischer Subtext durch einen andern überschrieben wurde.
Das unermüdliche Uhrwerk der proletarischen Produktionskette, die im Original von 1957 die Versorgung der Masse mit ausbeuterischer Akkordarbeit sichert, verdeutlichte die unmenschlichen Strukturen des Kapitalismus während das instabile Arbeiterkollektiv für das sozialistische Gleichheitsideal stand. Ruizpalacios‘ expressives Ensemble-Stück hingegen stilisiert den ins moderne Manhattan verlagerten Schauplatz mit dem plakativ doppeldeutigen Namen The Grill Raum einer multiethnischen, migrantischen Menschen-Maschinerie. In diesem hektischen Hochdruckofen sind die Angestellten kleine Rädchen – oder manchmal das Ventil: Wer nicht spurt, wird ersetzt.
Dass die allegorische Anklage eines skrupellosen Systems, das die unterbezahlte Arbeit unregistrierter Eingewanderter aufsaugt, aber ihnen im Wissen um beständigen Nachschub Bürger- und Bleiberecht verwehrt, liegt nicht nur am fehlgeleiteten Versuch, die Kapitalismus-Kritik zu tilgen. Ähnlich seines Protagonisten erscheint der durch eine negative Kassenbilanz aus dem Takt geworfene Restaurantbetrieb trotz Aggressivität, Arroganz und Ausbeutung als mitmenschliches Ideal. Alle treten füreinander ein, sexuelle Übergriffigkeit wird weggelacht, der Chefkoch besingt sein Team, das natürlich nie klauen würde.
Die allegorische Attacke zum furiosen Finale Alonso Ruizpalacios disharmonischen Dreiakters sogar der Genrerahmen demoliert wird, gilt nicht mehr imperialistischer Profitgier, sondern weiblicher Selbstbestimmung. Ihre Überzahl macht die Charaktere auf dramatischer Ebene so austauschbar wie sie es auf Handlungsebene sind, der ausbeuterische Arbeitsplatz wird zum Erwachsenenspielplatz und den Stress machen sich die Angestellten selber. Das an fragmentarische Figuren verschenkte Ensemble kann nur ratlos zuschauen, wie die Inszenierung die humanistische Botschaft Arnold Weskers ideologisch entkernter Theatervorlage untergräbt.
- OT: La Cocina
- Director: Alonso Ruizpalacios
- Screenplay: Alonso Ruizpalacios, Arnold Wesker
- Country: USA, Mexico
- Year: 2024
- Running Time: 139 min.
- Cast: Narjara Fuentes Alfonso, María Fernanda Bosque, Raúl Briones, Shavanna Calder, Leo James Davis, Anna Díaz, Mai Elissalt, Diana Elynel, Oded Fehr, Motell Gyn Foster, Spenser Granese, Laura Gomez, Julia Haltigan, Pía Laborde-Noguez, Rooney Mara, Eduardo Olmos
- Image © HanWay Films