Das bemerkenswerteste an Léonor Serrailles mäanderndem Milieustück ist, wie es Szene um Szene knapp an all dem vorbeistreift, was es sein will: zeitgeistig, kunstsinnig, einfühlsam und ein pointiertes Bild der Welt mittelständischer Mittzwanziger. Hätte ihre sentimentaler Stadtrundgang mit dem antriebslosen Titelcharakter (ein bemühter Andranic Manet) nur eine Spur Ironie, Skepsis oder Scharfblick wäre ihr das womöglich geglückt. Doch die französische Regisseurin wirkt auf dramaturgischer Ebene so orientierungslos wie ihr gedankenverlorener Protagonist.
Der nicht mehr ganz junge Ari steckt in der Ausbildung zum Grundschullehrer, obwohl oder vielleicht gerade weil er selbst ein großes Kind ist. Rückblenden zeigen ihn beim distanzlosen Herumbalgen mit den Schulkindern, die zu unterrichten ihn überfordert. Als die Grundschulkids seinem Vortrag über den surrealistischen Dichter Robert Desnos nicht angespannt lauschen, kollabiert er kurzerhand. Das soll seine emotionale Verletzlichkeit vor Augen führen. Doch die skurrile Szene erinnert mehr an die wehleidige Simulation eines verwöhnten Spießer-Sprosses.
Arbeiten findet Ari viel zu deprimierend. Lieber wohnt er weiterhin bei Papa (Pascal Rénéric). Als der seinen phlegmatischen Sohn endlich rausschmeißt, sucht der einen neuen Unterschlupf. Seine Bekannte Clara (Eva Lallier Juan) hat sich ähnlich passiv-parasitär bei ihrer Partnerin einquartiert. Jugendfreund Jonas (Théo Delezenne) lebt, obwohl selbst Vater, in den Tag hinein von seinem Erbe. Niemand hat einen Plan, geschweige die Motivation, etwas umzusetzen. Auch nicht Serraille, deren Inszenierung lustlos dahintreibt.
Dabei scheint Handlung den eigentlichen Problemen ihrer Figuren beständig auszuweichen. Wie Ari, der von einer Wohnung zur nächsten zieht, überall seine Bekannten vor den Kopf stößt und schließlich wegläuft. Dass er sich so auch vor seiner Verantwortung als Vater gedrückt hat, macht ihn noch unsympathischer. Seine vorgebliche Sensibilität ist mehr weinerlicher Weltschmerz. Vermeintliche Menschenkenntnis äußert sich in passiv-aggressiver Übergriffigkeit. Der unstete Kamerablick beobachtet das alles mit Engelsgeduld – das Publikum mit Langweile.
Ironischerweise erweckt Léonor Serrailles pikareskes Porträt eines antrieb- und ziellosen jungen Bildungsbürgertums den Eindruck, die Regisseurin teile die Gleichgültigkeit ihres Hauptcharakters. Die teils improvisierten Darstellungen haben die gedankenverlorene Beliebigkeit der substanzlosen Story. Dass die fahrige Kamera mit den Figuren gern im Museum verweilt und der fade Plot Verweise auf die Surrealisten streut, zeigt statt Kunstsinn eher bildungsbürgerliche Blasiertheit. Das ermüdende Resultat ist eine bornierte Befindlichkeits-Skizze, die weder Anteilnahme noch Atmosphäre erzeugt.
- OT: Ari
- Director: Léonor Serraille
- Screenplay: Léonor Serraille
- Year: 2025
- Distribution | Production © Be For Films