“You know how in marriage they say ‘for better or for worse’? I think, in terms of my life, I have entered the ‘for worse’ part, and it happened so quietly I didn’t even recognize it.” So sagt es Ethan Hawke als legendärer Songtexter Lorenz Hart und so zitiert es die Synopsis Richard Linklaters biografischer Episode. Die feiert ihre Premiere im Berlinale-Wettbewerb als einer von auffällig vielen Filmen, bei denen man sich fragt, was sie dazu qualifiziert hat. Die ernüchternde Antwort – Klüngelei, Konvention, Kommerz und die Bevorzugung von Kunsthandwerk vor Kunst – ist ironisch nah an den Faktoren, mit denen der Protagonist laut hadert.
Der Druck seine Texte, für Musical-Hits wie I Married an Angel, Babes in Arms und Pal Joey dem vermeintlich beschränkten Verständnis des Publikums anzupassen, plagte Hart sein ganzes Leben. Dessen frühes Ende mit 48 Jahren initiiert die Anfangsszene, die erahnen lässt, welche grandiosen Kinobilder dieses Leben hergeben würde. Doch Linklater und Drehbuchautor Kaplow setzen Hart an die Bar des Hotels, in dem am 14. März 1944 eine Premiere-Party seines Langzeitkollegen Richard Rogers (Andrew Scott) stattfindet. Hier hat er eine fast monologische Unterhaltung mit Eddie Bartender (Bobby Canavale), versucht seine 22-jährige Angebetete Elizabeth Weiland (Margaret Qualley) abzuschleppen und Rogers eine Zusammenarbeit abzubetteln.
Die kammerspielartigen Kulissen sind eine ebenso schlechte Idee, wie Hawke die kurzgewachsene, schmächtige Musiklegende spielen zu lassen. Die Einsamkeit, den Alkoholismus, die sexuelle, kreative und karrieristische Frustration – nichts davon wird greifbar. Womöglich sollen Hawkes kurioses Haarteil, dickes Make-up, bügelfrische Kostüme und bühnenhaften in ihrer exaltierten Künstlichkeit eine Broadway-Hommage sein. Doch nichts davon funktioniert, weder zwischenmenschlich noch dramatisch noch komödiantisch. Die auf Harts Briefwechsel mit Weiland basierenden Dialoge wirken krampfig unkomisch. Sein Begehren nach Elizabeth fühlt sich trotz aller dramaturgischer Bemühungen, es intellektuell und zärtlich darzustellen, schmierig. Seine Queerness wird zwar benannt, aber homoerotische Spannung wird selbst, wenn sie sich aufdrängt, geflissentlich ignoriert.
Letztes ist nur ein Beispiel dafür, wie Hart ständig Dinge anspricht, an denen die Inszenierung krankt: die verklemmten Reaktionen auf seine Bisexualität, seine Irritation über den anspruchslosen Humor des Premiere-Publikums (im Kinosaal halt mehrfach Lachen), seinen Überdruss mit Blue Moon, seine zwangsläufige Anpassung an einen seichten Massengeschmack darstellt. Dass Passagen aus Blue Moon, The Lady is a Tramp und My funny Valentine von Bar-Pianist Knuckles (Jonah Lees) beiläufig geklimpert werden, wird zum musikalischen Pendant des prätentiösen Namedroppings. Gershwin, Sinatra und Claude Rains werden erwähnt, Hammerstein sagt hallo und Weegee macht ein Foto. Wäre Linklaters larmoyante Langaufnahme nur solch ein knackiger Schnappschuss.
Im ‘“for worse’ part“ seines filmischen Schaffens scheint auch Richard Linklater angekommen. Seine theaterhaftes Porträt des gefeierten Texters Lorenz Hart wirkt wie die dramatische Entsprechung des karikaturesken Sketches des Hauptcharakters an der Wand des Hauptschauplatzes. Mehrfach macht der Protagonist Ansätze, diesen zu verlassen, jedesmal hofft man darauf – und immer bleibt er länger. Die fähigen Darstellenden sind fehlbesetzt für ihre Rollen, am meisten Ethan Hawke. Die Kritik seines Filmcharakters passt so perfekt auf das seichte Konversationskino, dass dieses beinah zur unfreiwilligen Parodie gerät. „Who wants inoffensive art?“, ruft Hart einmal. Die begeisterten Reaktionen des Berlinale-Publikums au Linklaters Werk wirken wie eine indirekte Antwort.
- OT: Blue Moon
- Director: Richard Linklater
- Screenplay: Robert Kaplow
- Year: 2025
- Distribution | Production © Sony