Style, Sex, Stereotype und Subversion sind die inszenatorischen Eckpfeiler, auf denen Hélène Cattet and Bruno Forzani ihre glamouröse Film-Phantasien konstruieren. Auf die mit düsterer Sinnlichkeit und abgründigem Begehren aufgeladenen Amer und The Strange Color of Your Body’s Tears folgt mit dem jüngsten Werk des französischen Regie- und Ehepaares nun ein kinematisches Kaleidoskop des Agentenfilms und des medialen Makrokosmos, der um ihn entstand. Anstelle einer klaren Handlungslinie installieren die Autorenfilmer einmal mehr ein szenisches Arrangement greller Episoden.
Jene erzählen keine Geschichte, sondern etablieren mit Bedacht gewählte Charaktere, Konstellationen und Konstrukte der Filmgeschichte, die sich zu psychologisch und dramaturgisch immer komplexeren Visionen auffächern. Jene zitieren und zelebrieren, pervertieren und parodieren, stilisieren und sezieren klassische Motive und Narrative des Euro-Spy Sujets. Dessen berühmteste Vertreter James Bond, Bulldog Drummond und Le Tigre sind Vorlagen und Spiegelbilder des gealterten Protagonisten. Fabio Testi, selbst lebende Legende und Relikt des italienischen Kinos, verkörpert den namenlosen Gentleman im weißen Anzug.
Seine Macho-Manierismen und Luxus-Lebensstil auf mehreren Ebenen hinter der Zeit zurückgeblieben sind. War er einst ein gefährlicher Top-Agent? Ein Cinecittà-Star, der den Agenten auf der Leinwand verkörperte? Ist er nur ein verwirrter Alter, der zu viele der dem Regie-Duo als zusätzliche formalistische Referenz dienenden Pulp Fiction Hefte und Giallos gelesen hat? Ist er gar selbst eine fiktive Figur einer gealterten Schriftstellerin, die im gleichen Hotelkomplex gastiert? War die undurchsichtige Dame früher die skrupellose Auftragskillerin Serpentik?
War sie die geheimnisvolle Schauspielerin Serpentiks? Die Figuren sind Fragmente und Quintessenz überlebensgroßer Charaktere. Deren Verführungskraft, Potenz, Kampfkunst und Mysterium macht sie zu Superlativen und Subversionen patriarchalischer Gender-Rollen. Die vielschichtige Inszenierung beschränkt sich keineswegs darauf, die chauvinistischen Muster des klassischen Agentenkinos zu reproduzieren und zu idolisieren, sondern strebt vielmehr nach einer Demontage und Dekontextualisierung der Stereotypen und Narrative. Deren Fetischismus, Objektivierung, Misogynie, Exotisierung, Materialismus und Sadomasochismus enthüllt sich als ebenso destruktiv wie die Macht des Kinos.
Acht Jahre nach ihrem letzten Leinwandwerk schleudern Hélène Cattet und Bruno Forzani ihr Publikum in ein kinematisches Kaleidoskop stilbildender Spy-Stories. Gefiltert durch deren Ästhetik eröffnet ihr popkulturelles Panoptikum eine faszinierende Untersuchung der Idiomatik des filmischen Kanons. Gleißendes Licht und grelle Farben bestimmen Manu Dacosses‘ hypnotischen Bilder-Rausch, dessen künstlerische Verweise bis zu Caravaggio reichen. Die Megalomanie dieses Unterfangens konterkarieren ironische Brechungen und kritische Relativierung. Ein schillerndes Film-Juwel, feingeschliffen wie ein Diamant, mit ebenso vielen Reflexionen und Facetten.
- OT: Reflet dans un diamant mort
- Director: Hélène Cattet, Bruno Forzani
- Screenplay: Hélène Cattet, Bruno Forzani
- Year: 2025
- Distribution | Production © True Colours