Der Rahmen ändert nicht das Motiv des Gemäldes, er sorgt dafür, dass es sich besser präsentieren lässt. Exemplarisch zeigt das Miguel Gomes nostalgische Novelle. Deren wehmütige Vision der Kolonialzeit als eine Ära von Abenteuer, Freiheit und Entdeckungen wird durch ihre Einfassung in dokumentarische Gegenwartsszenen nicht unterminiert oder revidiert, sondern legitimiert. Nicht zufällig zeigen die Doku-Aufnahmen, deren Pragmatik mit der Exzentrik der Binnenhandlung kontrastiert und deren grobkörnige Farbigkeit sich von den schwelgerischen Schwarz-Weiß-Bildern abhebt, einen Jahrmarkt.
Alles nur unschuldige Unterhaltung, impliziert die Analogie. Vielleicht altmodisch wie das allein durch Schwungkraft betriebene Riesenrad oder Marionetten-Theater, bei denen beide die Landsleute buchstäblich die Fäden in der Hand halten und am Hebel sitzen. Als sei die kommerzieller Verklärung eines Systems von Ausbeutung und Unterdrückung eine traditionelle Kunst Einheimischer. Jene sind nur lebendiger Lokalkolorit der im doppelten Sinn eskapistischen Erzählung. Darin flieht ein britischer Diplomat 1918 von Mandalay quer durch die Kolonialwelt vor seiner Verlobten.
Warum Edward (Gonçalo Waddington) sich auf die Titel-Tour nach Singapur, Bangkok und Saigon bis nach Chengdu begibt und Molly (Crista Alfaiate) ihn amüsiert statt indigniert verfolgt, bleibt unklar. Beide treibt scheinbar die gleiche Melange von Fernweh, Reiselust und sentimentaler Sehnsucht. Letzte blickt blauäugig auf die Vergangenheit, die der cineastische Coup in jeder Szene heraufbeschwört. In alten Songs, gelebter Tradition, antiquierten Fahrgeschäften und am deutlichsten in der Vintage-Optik der Screwball-Story, deren Schleifen-Struktur perfekt die revisionistische Revue verpackt.
Mit seinen Stammdarstellern Waddington und Alfaiate begibt sich Miguel Gomes auf eine restaurative Reise, die ihre verträumte Verbrämung der Kolonialära nur taktisch relativiert. Dies geschieht durch ein filmisches und figürliches Framing, das die scheinheilig naiven Narrative legitimiert und zugleich jedes Unbehagen des Publikums bei dessen Konsum sediert. Wenn die mit Tempo, Witz, süffisanten Dialogen und skurrilen Figuren gespickte Romanze ihren charakteristischen Charme entfaltet, ist dies Teil des ideologischen Theaters, das selbst eine kritische Zuschauerschaft manipuliert.
- OT: Grand Tour
- Director: Miguel Gomes
- Screenplay: Miguel Gomes, Telmo Churro, Maureen Fazendeiro
- Year: 2024
- Distribution | Production © Magenta | Tandem