Meeresrauschen erklingt aus der Ferne noch vor dem ersten Bild Pedro Cabeleiras zweiten Spielfilms. Dessen rein akustischer Auftakt ist ein symbolistisches Element in hartem Kontrast zu einer Handlung, die schnörkellosen Realismus anstrebt. Die Ahnung vom Meer wirkt wie die Sehnsucht nach einem Ort der Geborgenheit und Stabilität, weit weg von dem titelgebenden Gebiet im portugiesischen Santarem. Dorthin verschlägt es die junge Protagonistin, die vor einer unbestimmten Vergangenheit flieht und sich einen Neuanfang erhofft.
Was Laura (Ana Vilaça) hinter sich lässt, als sie im Zug nur mit einer Reisetasche unterm Arm in die Story und den Schauplatz fährt, bleibt unklar. Hier hat sie in Bruno (Sergio Coragem) einen Cousin, bei dem sie unterkommen kann. Doch deren Leben in einer tristen Neubausiedlung hat mehr den erstickenden Mief von Endstation als Zielpunkt. Wer hier lebt, träumt davon, wegzukommen. So auch Nadia (Cleo Diara), die mit Bruno eine kleine Tochter hat.
Doch finanziell kommt sie kaum über die Runden und der Handvoll weitere Charaktere, um die der portugiesische Regisseur und Drehbuchautor seine Milieuskizze anlegt, geht es nicht besser. Die nüchternen Kamerabilder und der weitgehende Verzicht auf Soundtrack unterstreichen die Perspektivlosigkeit am unteren Rand der Arbeiterschicht. Eine Packung Marken-Cornflakes ist Luxus, ein Kinder-Ausflug führt zu Burger King und wer etwas Kohle macht, zeigt das mit einem teuren Fernseher. Wie Drogendealer Matreno (Rafael Morais), der Laura in seine Welt ziehen will.
Zwischen regulären Sackgassen-Jobs und einer kleinkriminellen Karriere wählt Laura einen Mittelweg, den das um alltägliche Setting kaum glaubwürdiger macht. Vilaça spielt die junge Frau ohne Vergangenheit und mit ungewisser Zukunft mit stummer Entschlossenheit. Lieber lässt Laura Taten sprechen; doch anders als die markigen Männer in ihrem Bekanntenkreis handelt sie ruhig und durchdacht. Was in ihr vorgeht, bleibt dennoch rätselhaft. Mit zu wenig psychologisch vertiefenden Szenen bleiben Cabeleiras Figuren Hüllen, von denen manche leer wirken und andere undurchdringlich.
Vorstadt-Krimi und Freundschaftsdrama verknüpft Pedro Cabeleira zu einem kantigen Milieustück, dessen fähige Besetzung kaum die dramaturgischen Mankos ausgleichen kann. Zwar distanziert sich der Regisseur demonstrativ von rassistischen Stereotypen, doch dafür tappt seine schlichte Story wiederholt in klassistische Tropen. In über zwei Stunden Laufzeit passiert zu wenig, um den Plot in Gang zu halten. Humor existiert in dem dumpfen Setting nicht und den kriminellen Elementen fehlen Bedrohlichkeit und Dynamik, um Spannung zu entwickeln. Das Resultat ist mehr mittelmäßige TV-Ware als Kinoformat.
- OT: Entroncamento
- Director: Pedro Cabeleira
- Year: 2025