“Warum hasst jeder die Polizei?“, fragt Léa Drucker als Inspektorin Stéphanie Bertrand in einer enthüllenden Szene Dominik Molls auf Tatsachen basierenden Ermittlungsdramas. Selbiges sagt in Momenten wie diesem weniger über den intrinsischen Interessenkonflikt der engagierten Protagonistin als über die dramaturgische Ambivalenz des Regisseurs. Dessen problematische Positionierung innerhalb der Verfilmung eines realen Falls verheerender Polizeibrutalität untergräbt die schauspielerische und formalistische Intensität der Handlung. Jene beginnt im Frühjahr 2019 mit Bertrands Aufarbeitung der gewalttätigen Ausschreitungen während der Gelbwesten-Proteste im Dezember des Vorjahres.
Die erste Einstellung zeigt die Handy-Aufnahme eines Polizisten, der selbstmotiviert einen Stein auf Demonstranten wirft. Doch schon die nächste Einstellung relativiert das Geschehen. Die Kamera fährt zurück und enthüllt einen PC-Bildschirm, auf dem Bertrand das Video dem darauf erkenntlichen Kollegen vorführt. Der Vorfall ist bereits Gegenstand interner Ermittlungen gegen den Verantwortlichen, der sagt, dies sei das erste und einzige Mal in über 20 Jahren Einsatz, dass er „ausflippe“. Was als Beleg polizeilicher Aggression und Korruption erscheint, wird durch geschickte inszenatorische Neueinordnung zum genauen Gegenteil: einem Beweis polizeilicher Integrität.
Immer wieder bedient sich der Regisseur und Co-Drehbuchautor solch perfider, doch unbestreitbar effektiver Manipulation. Deren bestes Beispiel ist Druckers Heldin. In ihrer Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit können sie weder Kritik aus den eigenen Reihen, noch äußere Widerstände beirren. Sie bewegt eine verängstigte Zeugin Alicia (Guslagie Malanda) zur Aussage und trotzt ihrem Ex-Partner (Stanislas Merhar), um diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die dem jugendlichen Sohn (Come Peronnet) der einfachen Angestellten Joëlle (Sandra Columbo) dauerhafte körperliche Schäden zufügten. Die nüchterne Optik negiert subtil Parteilichkeit der revisionistischen Rechtfertigung.
Die dokumentaristische Sachlichkeit Dominik Molls taktischen Polizeidramas suggeriert eine Unvoreingenommenheit, von der die dialektische Handlung weit entfernt ist. Léa Druckers präzise Verkörperung einer entschlossenen Polizeibeamtin und die fokussierte Inszenierung werden zu dramaturgischen Instrumenten systemtreuer Dialektik. Die von wahren Begebenheiten inspirierte Story tarnt sich als filmische Kritik eines gewaltbereiten Polizeiapparats, den sie tatsächlich rehabilitiert. Die nahezu untrennbare Vermischung echter Handy-Archivaufnahmen mit gestellten Szenen zeigt exemplarisch, wie Wahrheit zum elementaren Teil fiktionaler Verzerrung wird. Handwerklich ausgefeilt, doch inhaltlich zutiefst problematisch, ist das Resultat bedrückend relevant als Musterbeispiel medialer Manipulation.
- OT: Dossier 137
- Director: Dominik Moll
- Year: 2025