Fast scheint es unvermeidbar, dass Richard Linklater diesen Film macht. Einen Film, der eine ganze Sequenz um solch eine Cannes-Premiere, wie er sie selbst feiert, aufbaut. Ein Film, der dem Presse-Publikum Wortspiele mit dem Titel des Films-im-Film schon vorlegt: „ein Werk, das die Zuschauer atemlos macht“. Das Werk ist À bout de souffle, dessen Entstehungsmythos und Dreh die Handlung in stilistischer Imitation abbildet. Schwarz-weiße Bilder mit dezent körniger Optik im zeitgetreu aussehenden Format. Jede Einstellung ist eine kalkulierte Hommage an einen Titanen des Alte-weiße-cis-Männer-Kinokanons.
Der Titan ist Jean-Luc Godard, verkörpert von Guillaume Marbeck mit bemerkenswerter äußerlicher Ähnlichkeit und schelmischer Selbstverliebtheit. Linklater wäre der letzte, die aalglatte Arroganz als Charakterfehler auszulegen. Im Gegenteil schreit jede Szene, was für ein cooler Hund dieser Kerl, der nie die Sonnenbrille abnimmt. Nicht mal, wenn er die Premiere von Les Quatre Cents Coups schaut. Dafür fährt er mit aus der Sammelasse von Cahiers du Cinéma geklautem Geld nach Cannes. Dort blickt er mit neidvoller Bewunderung auf François Truffaut (Adrian Rouyard).
Noch so ein weißes männliches Genie unter Genies, die sich alle gegenseitig gratulieren, promoten und freundschaftlich konkurrieren. Mit einer Spur Differenzierung und Distanz ließe sich anhand dieser Runde wunderbar die Entstehung filmischer Kanons vorführen. Die gleiche privilegierte Clique produziert, dreht, schreibt, kritisiert und besucht die Filme ihrer Zugehörigen, klopft sich gegenseitig auf die Schulter und pusht einander Karrieren. Doch Nostalgie und Narzissmus verklären Nepotismus zu kreativer Brillanz, die alles kann, weiß und darf. Diese Beweihräucherung ist nicht nur redundant und reduktiv, sondern ermüdend.
Konflikte und Schattenseiten gibt es nicht. Amüsanter als die dreisten Sprüche, die der Godard in jedem Dialog liefert, ist der formale Widerspruch zwischen Inszenierung und Ideal. Ständig wird von Authentizität, Natürlichkeit und Ungeschliffenheit gesprochen, von kantigen Charakteren, spontanen Reaktionen und improvisierten Dialogen. Doch nichts davon existiert auf der Leinwand, wo jeder Satz auswendig gelernt klingt und keine einzige Reaktion lebensecht. Ein spannendes Stück Filmgeschichte wird zum seelenlosen Museumsstück, verstaubt, verklärt und vorgestrig. Männer sind witzig, kreativ und klug. Frauen schön und schwierig.
Die Hauptfunktionen der weiblichen Charaktere wie Jean Seeberg (Zoey Deutch) ist gut auszusehen und Unverständnis zu zeigen. So können die Herren der kinematischen Schöpfung ihnen stellvertretend für das Kinopublikum erklären, warum Anschlussfehler angeblich egal sind, Szenen nicht geprobt werden müssen und Godard das Material für den anstehenden Drehtag beim Frühstück schreibt. Selbst den Cutterinnen muss erst ein Mann erläutern, wie sie ihr Handwerk zu tun haben. Selbst Agnes Varda taucht nur einmal auf und ihr einziger Satz ist Lob an einen Kollegen.
Von den wortgewandten Weisheiten über das Filmemachen, die sein fiktiver Godard wie ein wandelndes Zitate-Lexikon ausspuckt, hat Richard Linklater offenbar nichts gelernt. Seine ironiefreie Ikonographie ist das Gegenteil der Originalität und Innovation, die sie anpreist. Trotz des fähigen Cast wirken die aalglatten Charaktere wie Wachsfiguren, die einzig existieren, um bewundert zu werden. Der selbstgefällige Humor wirkt einstudiert und arrogant, an zwischenmenschlicher Dynamik mangelt es. Bestechend zeitgetreue Optik und Stilistik schaffen einen akademistischen Fanboy-Film, der sich so alt anfühlt wie die titelgebende Stilepoche. Kunsthandwerk statt Kunst.
- OT: Nouvelle Vague
- Director: Richard Linklater
- Year: 2025