Unter Frauen ist es eine lässliche Sünde, erläutert ein Imam (Abdelali Mamoun) der verunsicherten Titelheldin Hafsia Herzis ambitionierten Selbstfindungs-Dramas. Dessen zwischen Coming-of-Age und Coming-out angelegte Story findet seine systemkritische Stärke in beiläufigen Momenten wie dem beschriebenen Austausch zwischen Fatima (ein kraftvolles Debüt von Newcomerin Nadia Melliti) und dem Geistlichen. Dessen Antworten verdeutlichen mit einem Hauch bitterer Komik den inneren Konflikt der jungen Muslimin. Die Erforschung ihrer queeren Gefühle stellt sie auf eine Glaubensprobe, in der ihre eigene Akzeptanz der entscheidende Faktor ist.
Lose adaptiert von Fatima Daas autobiografischem Roman, distanziert sich die Story von immer noch gängigen Negativ-Tropen, die muslimischen Glauben mit Fundamentalismus und Queerness mit Tragik verbinden. Fatimas Austausch mit dem Imam verdeutlicht die unterschiedliche, oft dialektische Auslegung religiöser Gebote. Jene erstellt nicht Fatimas Familie, die ihr daheim Zuwendung und Rückhalt gibt, sondern sie selbst und ihr schulisches Umfeld. Ob ihre spirituellen Zweifel unbewusst die gefürchtete Ablehnung ihrer Clique widerspiegeln, zählt jedoch zu den psychologischen Tiefen, denen Herzi ausweicht.
Der sprunghafte Plot wechselt von einem Teenager-Konflikt zum nächsten, noch bevor die Situation ausgearbeitet ist, reißt Nebenhandlungen an und stellt beständig neue Figuren vor, um sie kurz darauf fallenzulassen. Fatima verliebt sich in Krankenschwester Ji-Na (Ji-Min Park), kann jedoch mit deren Depression nicht umgehen. Ihr Alibi-Freund drängt auf Heirat und Kinder, doch sie stürzt sich nach dem Schulabschluss lieber in sexuelle Abenteuer mit ihren wesentlich toleranteren Kommilitoninnen. Genauso die Inszenierung, die mehr an freizügigen Szenen interessiert ist als psychologischer Entwicklung.
Ähnlich ziellos wie ihre temperamentvolle Protagonistin schlingert Hafsia Hertzis unstete Figuren-Skizze zwischen einer Überzahl Konfliktthemen. Die emotionale Ambivalenz ihrer Titelheldin wird nie überzeugend ausgelotet. Zwar gibt Nadia Melliti ein beeindruckendes Schauspieldebüt, doch der Regisseurin fehlt das Gespür für queere Sinnlichkeit und Sensibilität. Die selbstzweckhaften Sexszenen, ausgerichtet auf einen straighten männlichen Blick, konterkarieren den emanzipatorischen Gestus. Hinter der aufgeschlossenen Fassade lugen unangenehme klassistische und akademistische Ressentiments. Talent ist vor und hinter der Kamera greifbar, doch kann sich kaum entfalten.
- OT: La petite dernière
- Director: Hafsia Herzi
- Year: 2025