Bereits in seinem letzten Werk Leila‘s Brothers, der 2022 in Cannes um die Goldene Palme konkurrierte, folgte Saeed Roustaee einer entschlossenen Protagonistin, die in einem fundamental patriarchalischen System um ihre Freiheit ringt. Nun kehrt der iranische Regisseur zurück in Cannes Wettbewerb mit einem ähnlich ausgerichteten Familiendrama. Auch darin kreist die ausufernde Story um eine Schwester, die sich im Angesicht eines Todesfalls gegen familiäre und strukturelle Unterdrückung wehrt. Die verwitwete Krankenschwester Manhaz (eindringlich verkörpert von Parinaz Izadyar) leidet unter der Mehrfachbelastung von Job, Mutterschaft und Familienpflichten.
Eine kleine Flucht sind die gewohnheitsmäßigen Flirts mit Krankenwagenfahrer Hamid (Roustees Stammdarsteller Payman Maadi), der sie zur Hochzeit drängt. Doch Manhaz hat genug zu tun mit der kleinen Tochter Neda und Teenager-Sohn Aliyar (Sinan Mohebi). Seine harmlosen jugendlichen Vergehen – Rauchen, im Unterricht schlafen, Partydrogen – werden mit Schulverweis abgestraft. Mangels Alternativen lässt die überforderte Protagonistin ihre Kinder in Obhut des Großvaters. Dessen autoritäre Erziehung provoziert einen fatalen Unfall, der die arg konstruierte Story endgültig in sensationalistisches Soap-Terrain stürzt. Parallel zu den Ereignissen eskaliert auch Manhaz in zunehmend irrationale Aktionen.
Ihr Verhalten scheint psychologisch ebenso bizarr wie dramaturgisch. Die Story zeigt wiederholt Ansätze zu einem emanzipatorischen Zeitkommentar, doch die zu sexistischen Ressentiments tendierende Charakterisierung konterkariert die feministischen Anklänge. Sämtliche weibliche Figuren bedienen negative Klischees, von Manhaz Eifersucht und Hysterie über die Intrigen ihrer jüngeren Schwester Mehri (Soha Niasti) bis zur opportunistischen Mutter. Die Ereignisse nehmen immer absurdere Wendungen, die Logik und Figurenaufbau über den Haufen werfen. Vereinzelte prägnante Dialoge können den Mangel dramatischer Substanz und stabiler Struktur nicht ausgleichen. Was als seriöses Familiendrama begann, sinkt zum prätentiösen Prestige-Kino.
Wie in seinem letzten Werk misslingt Saeed Roustaee, seinen Frauenfiguren Glaubwürdigkeit und psychologisches Profil zu verleihen. Die zwischen Sozialrealismus und melodramatischer Metaphorik schwankenden Kamerabilder wirken so unausgegoren wie der überlange Plot. Vergraben unter melodramatischem Ballast steckt darin eine systemkritische Parabel, die Roustaees eigener unbewusster Chauvinismus ad absurdum führt. Nach einem vielversprechenden Auftakt unternimmt die Handlung eine abstruse Wendung nach der nächsten, bis Figurendynamik und Tonalität gänzlich aus dem Gleichgewicht geraten. Dass Hauptdarstellerin Izadyar trotz dieser essenziellen Schwächen eine starke Darstellung abliefert, kann die Tearjerker-Tragödie nicht retten.
- OT: Zan va bache
- Director: Saeed Roustaee
- Year: 2025