Der feine Unterschied zwischen dem französischen Originaltitel und dem internationalen Titel Julia Kowalskis Mystery-Dramas berührt auf kuriose Weise eine zentrale Frage der symbolträchtigen Story. Jene verwebt Elemente aus Horror, Märchen und Volksglaube zu einem düsteren Coming-of-Age-Drama mit feministischem Touch. Der Subtext von Selbstbehauptung und Selbstbefreiung manifestieren sich in auf eine für einen Jugendfilm ungewöhnlich blutige Weise im Glauben an archaische Kräfte. Hinter der aufgeklärten Fassade des ländlichen Handlungsschauplatzes gärt die Angst vor finsteren Mächten.
Denen verfiel angeblich die Mutter der jungen Nawojka (Maria Wróbel), die fürchtete, dass der Fluch nun von ihr Besitz ergreift. Obwohl schon Zwanzig, lebt die verschlossene Protagonistin immer noch bei ihrem strenggläubigen Vater (Wojciech Skibinski) und ihren beiden Brüdern in einem heruntergekommenen Dorf in der französischen Provinz. Trübe, klamme Farben intensivieren die erstickende Enge des sozialen Rahmens, der Nawojka zum Objekt männlicher Begierde und Bedürfnisse reduziert. Die tranceartigen Visionen, die sie überkommen, erscheinen als instinktives Aufbegehren.
Das Auftauchen der ungebundene Sandra (Roxane Mesquida) weckt nicht nur in ihr finstere Impulse. Während die Männer die Fremde zugleich verachten und begehren, fühlt sich Nawojka mystisch mit ihr verbunden. Ist es Wróbels intuitiver Darstellung spricht die beständige Verunsicherung, ob ihre Gefühle sie leiten oder dämonische Besessenheit. Das Verteufeln weiblicher Autarkie durch christliche Bigotterie sowie die Pathologisierung weiblicher körperlicher Autonomie seitens eines repressiven Patriarchats kanalisieren sich in die Wiederbelebung phantastischer Konzepte wie Hexerei und Metamorphosen.
Die kantige Story ist mit den soziologischen und mythologischen Motive mitunter ebenso überfordert wie die Hauptfigur. Ob deren Veränderung monströs ist oder tatsächlich nur eine psychopathische Episode bleibt unklar. Flirrende Kamerabilder und subjektive Traumszenen lassen das Übersinnliche stets im Vagen. Stattdessen findet Kowalski ihre Genre-Topoi wie Blut, Hetzjagd und Schlachtung im beunruhigend alltäglichen Kontext der Landwirtschaft. Die Normalisierung von Gewalt und Grausamkeit kontrastiert mit der Stigmatisierung individueller Selbstermächtigung in einer ebenso erratischen wie expressiven Film-Fabel.
Wenn die sadistische Hetzjagd auf ein Reh abrupt in Gewalt gegen Menschen umschlägt oder sich eine blutrünstige Vision von Gemetzel als Schlachtung eines Tieres erfüllt, zeigt Julia Kowalskis allegorischer Coming-of-Age-Horror sein zivilisationskritisches Potenzial. Nervöse Kamerabilder schaffen eine unterdrückt angespannte Stimmung. Die Horror-Elemente sind indes enttäuschend karg und kaum mehr als Randaspekte eines vergleichsweise generischen Jugenddramas. Das organische Spiel der jungen Hauptdarstellerin und inszenatorische Gespür für unheilvolle Atmosphäre verleihen dem kantigen Plot dennoch einen düsteren Reiz.
- OT: Que ma volonté soit faite
- Director: Julia Kowalski
- Year: 2025