Was Genki Kawamuras parabolischen Psycho-Horror so wirkungsvoll macht, ist die unwahrscheinliche Realitätsnähe des surrealen Schreckensszenarios. Das basiert auf dem gleichnamigen PC-Game von Kontakte Create, bei dem Player den Ausgang eines schier endlosen U-Bahn-Tunnelnetzes finden müssen. Es ist einer dieser absurden Alltagsalpträume, die alle auf die ein oder andere Art schon erlebt haben: Man folgt im Metro-Tunnel ewig den Weg-Pfeilen in Richtung Ausgang, nur um nach etlichen Abbiegungen wieder am Ausgangspunkt zu landen. So auch der gewöhnliche Protagonist der architektonischen Angstvision.
Darin gerät der namenlose „Lost Man“ (Kazunari Ninomiya), wie ihn einer der drei Kapitel-Titel bezeichnet, auf dem Weg zu einem neuen Job in eine bizarre Tunnelschleife. Egal, wie lange er die Unterführung entlangläuft, er kommt immer durch die gleichen vier Gänge mit den gleichen typischen Markern. Schließfächer, Belüftungsschächte, Fotoautomat und Werbeplakate. Das darunter eines für eine Ausstellung M.C. Escher ist, verweist auf die künstlerische Inspiration des kafkaesken Konzepts. Dessen schlichte Regeln erläutert eine Wandtafel. Sobald etwas Ungewöhnliches auftaucht, umdrehen.
Wird die mal geringfügige, mal bedrohlich direkten Veränderung entdeckt, geht es eine Stufe näher zum titelgebenden Ausgang. Das allein wäre für einen Langfilm etwas wenig. Daher macht Regisseur und Co-Drehbuchautor seinen Hauptcharakter zu einer notorisch passiven Persönlichkeit. Als solche sieht er lieber weg, statt zu handeln – egal, ob es seine schwangere Ex-Freundin betrifft oder eine junge Mutter, die in der U-Bahn von einem Fahrgast angepöbelt wird. Die existenzialistische Ellipse zwingt ihn, eine Richtung einzuschlagen und Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.
Dass der sozialkritische Subplot die Handlung nicht zur abstrakten Allegorie reduziert, garantiert das Szenenbild. Reduzierte Schnitte und eine subjektive Kamera maximieren das Gefühl unentrinnbarer Beklemmung. Die in fahles Kunstlicht getauchten Kachelgänge sind schon verdammt unheimlich, wenn dort nicht ein monströs grinsender Fremder wartet. Dass der Protagonist nicht als einziger feststeckt, deutet auf eine infernalische Interpretation des labyrinthischen Schauplatzes. Dessen perfide Faszination liegt jedoch gerade in der Irrationalität, die unvermittelt die rationale Routine ablöst. Somit ist das Tunnelnetz auch Sinnbild seelischer Sackgassen.
Die kalten Kachelwände eines unendlichen U-Bahn-Gangs werde in Genki Kawamuras klaustrophobischem Genre-Juwel zum metaphorischen Möbius-Band. Der urbane Raum selbst entpuppt sich als teuflische Falle, in der existenzialistisches Grauen und ethische Abstumpfung kollidieren. Topographische Einheitlichkeit und erzwungene Wiederholung stehen stellvertretend für regressive Routine und abstumpfende Assimilation. Rotierende Kamerabilder, Tracking Shots und subjektive Perspektiven steigern die Aura kriechenden Wahnsinns und panischer Orientierungslosigkeit. Auf dem narrativen Grundgerüst des kultigen Computer-Spiels errichtet der minimalistische Plot ein postmodernes Purgatorium, das den Teufelskreis des Trivialen enthüllt.
- OT: 8-ban deguchi
- Director: Genki Kawamura
- Year: 2025