“Eine wahre Geschichte” verspricht eine Textkarte zu Beginn Sylvain Chomets animierten Biopics. Das entwickelte sich aus Produktionsplänen für eine teils animierte Doku über den französischen Theaterautor und Schriftsteller Marcel Pagnol. Der ist in der Rahmenhandlung der in umfassenden Rückblenden erzählten Handlung Anfang Sechzig. Inspiration und Elan sind ihm über die Jahre abhanden gekommen, zumindest für die Memoire, die er für das Magazin Elle verfassen soll. Alles, was es nach der süßlichen Story braucht, ist die Rückbesinnung auf seinen reichen Erfahrungsschatz.
An den erinnert ihn sein jüngeres Ich, das ihm in einer skurril an Charles Dickens erinnernden Szene erscheint. Die rekapitulierten Erlebnisse machen verständlich, dass der alte Pagnol sie lieber vergessen will. Das Leben sei keine Tragödie, erklärt ihm seine Mutter. Doch die Ereignisse scheinen das Gegenteil zu beweisen. Pagnol wird als Kind zur Halbwaise und hat eine unterkühlte Beziehung zu seinem distanzierten Vater. Auch im Freundes- und Kollegenkreis ist der Tod allgegenwärtig. Eine erste Ehe endet in Trennung.
Trost und Freude findet der verträumte Protagonist in der Kunst. Wenig überraschend prägt besonders seine frühe Begeisterung für das Kino die beschauliche Biografie. Deren anfängliche Verspieltheit weicht bald einem nüchterneren Ton, der das sentimentale Air indes nicht auflöst. Selbst der charakteristische Zeichenstil Chomets, dessen Figuren an wenig schmeichelhafte Zeitungskarikaturen erinnern und dessen Settings die grotesken Facetten des Alltäglichen überbetonen, wirkt hier sanfter. Bar jeder kritischen Objektivität verklärt der Regisseur und Drehbuchautor seinen Protagonisten zu einem milde tragischen Ideal.
Nach The Illusionist widmet sich Sylvain Chomet erneut einem biografisch inspirierten Stoff. Seine magisch-realistisch verzuckerte Verfilmung des Lebens Marcel Pagnols ist weniger Biopic als Hommage a den französischen Autoren und Filmemacher. Dessen zahlreiche Affären werden ebenso übertüncht wie die Anschuldigungen der Kollaboration mit der faschistischen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs. Der typische Detailreichtum der Zeichnungen, die historische Kinoanzeigen, Zeitungsartikel und Plakate integrieren, entfaltet den gewohnten Charme. Doch das nostalgische Flair begleitet hier noch mehr als in Chomets letztem Werk der Beigeschmack systematischer Schönfärberei.
- OT: Marcel et Monsieur Pagnol
- Director: Sylvain Chomet
- Year: 2025