Dass Pierre Richard das letzte Mal hinter der Kamera stand statt davor, ist gut 28 Jahre her. In seinem jüngsten Werk, wie die Mehrheit seiner inszenatorischen Arbeiten komödiantisch, tut der Schauspieler und Regisseur jetzt beides und verfasste dazu gemeinsam mit Anne-Sophie Rivière das Drehbuch. Selbiges dreht sich um die ungleichen Freunde Michel (Timi-Joy Marbot) und Gregoire (Richard). Der ins autistische Spektrum fallende Teenager und der kauzige alte Fischer sichten beim Angeln das titelgebende Pelztier. Das ist einem Wanderzirkus entlaufen und genießt seine neugewonnene Freiheit – was auch die beiden gern würden.
Allerdings wird Michel von seiner Mutter gedrängt, einen Beamten-Job an der Rathaus-Rezeption anzunehmen. Eine beängstigende Vorstellung für den von sozialer Interaktion gestressten jungen Mann. Gregoire wiederum war vor seinem fluchtartigen Rückzug in die Natur im Vorstand eines Konzerns, den sein Sohn Christos (Louis-Do de Lencquesaing) mittlerweile ruiniert hat. Um aus der finanziellen Misere zu kommen braucht er nun die Unterschrift seines Vaters. Letztem kommt der Bär erneut vor Augen, doch statt ihn zu melden, unterstützt er dessen Verwilderung. Die obligatorische Naturschutzbotschaft wirkt reichlich verlogen angesichts des Einsatzes eines dressierten Bären.
Dass Wildtiere keine Requisiten sind und längst durch CGI ersetzt werden können, ist bei Richard augenscheinlich nicht angekommen. Längst nicht der einzige Aspekt, der seine klamaukige Provinzklamotte peinlich vorgestrig und selbstgerecht wirken lässt. Gregoires erwachsene Kinder erscheinen als Verkörperung materialistischer Egozentrik. Dass ihr Vater diesen Weg vorgab, sie entsprechend erzog, sich aus dem Staub machte und von dem erwirtschafteten Vermögen profitiert, scheint nebensächlich. Obendrein wird wie so oft im Kino exzessiver Luxus bemüht, um bourgeoisen Komfort bescheiden aussehen zu lassen. Noch unangenehmer ist der Einsatz von Neurodiversität für platte Witze.
Der abgeschmackte Humor ist das größte Manko der kruden Story, deren einzelne Episoden und Handlungsstränge kaum etwas miteinander zu tun haben. Ohne jeden Bezug zu den Ereignissen sind auch Gregoires abenteuerliche Tagträume, deren rassistische Klischees den reaktionären Tenor untermauern. Wenn sie der verworrene Plot nicht gerade über Tourette oder Autismus lustig macht, oder einer aus unerfindlichen Gründen als sexy Rotkäppchen verkleideten jungen Frau hinterher lechzt, gibt es Gags auf Kindergarten-Niveau. Jemand setzt sich auf eine frisch gestrichene Band oder sagt etwas zu einer Unterhaltung, in die er nicht einbezogen ist.
Fazit:
Den umständlichen Originaltitel, der so viel wie „Der Mann, der den Bären sah, der den Mann sah“ bedeutet, verkürzte der internationale Verleih-Titel gnädigerweise. Das verbessert leider nichts an der Tumben Handlung Pierre Richards verworrener Provinz-Komödie. Das selbige in Cannes Premiere feiert ist schon kurios. Dass die Vorführung Teil einer „Hommage“ an den Regisseur ist, wirkt dazu wie der einzige Lacher, den die geist- und einfallslose Story hinkriegt. Das Schauspiel wirkt ungelenk und überzogen, die Optik erinnert an eine Vorabend-Seifenoper und die Hauptrolle, die Richard sich selbst gibt, wie ironiefreies Eigenlob.
- OT: L’Homme qui a vu l’Ours qui a vu l’Homme
- Director: Pierre Richard
- Year: 2025