Das Frustrierteste an Alex Garlands dystopischem Bürgerkriegs-Thriller ist nicht dessen Tendenz zu tokenistischem Typecasting oder die den Spannungsbogen untergrabende Tendenz, mehr Chekhov‘s Guns als Militär-Munition zu verschissen, und noch nicht mal der pseudo-progressive Paternalismus weiblicher Figuren. Es ist die inszenatorische Implementieren von Kommerzialität über der im Titel suggerierten Kontroverse, akzentuiert in der Etablierung des zentralen Quartetts als Pressebeauftragte journalistischer Institutionen. Magnum-Ikone Lee Smith (Kirsten Dunst), ihr Reuters-Kollege Joel (Wagner Moura), ihr alternder Mentor Sammy (Stephen McKinley Henderson) und ihr junges Alter Ego Jessie (Cailee Spaeny) sind jeweils darauf zugeschnitten, ein bestimmtes Zuschauersegment zu repräsentieren und entsprechend arm an Individualität.
Die peinliche Vermeidung einer politischen Positionierung zeugt noch deutlicher diese opportunistische Taktik, alle finanziellen Fronten anzusprechen. Selbst diejenige, die sich im Kino die eskalierende ideologische Spaltung der USA, die das perfekte soziale Klima für das filmische Szenario bietet, ausblenden wollen wie auf der Leinwand die Bewohnenden eines surreal friedlichen Örtchens. Das passieren die Vier auf ihrem gefährlichen Weg in die Hauptstadt, wo ein Interview und Fotos mit dem umzingelten Präsidenten (Nick Offerman) als letzter großer Scoop lockt. Auch wenn die in dialogischen Phrasen erwähnte dritte Amtszeit und FBI-Auflösung des namenlosen Staatsoberhaupts auf Trumps Agenda stehen, erinnert das skizzenhafte Szenario einem Alt-Right-Armageddon.
Bereits die Prämisse eines neuen Bürgerkriegs – inklusive gewaltsamer Amtsenthebung – bedient Verschwörungstheorien von predictive programming und (Wunsch)Phantasien radikaler Gruppierungen wie der Boogaloo Movement. Deren emblematischen Stil evozieren Truppenmitglieder der als Gute identifizierten Western Forces, deren Regierung nie auftaucht. Eine zahlloser strategischer Auslassungen, die den Plot für jeden beliebigen Kriegsfilm präparieren. Nirgendwo sieht man Propaganda oder ideologische Slogans, nie werden die Konfliktpunkte genannt, niemand verrät eine politische Haltung. Es sei denn man zählte Lees Interpretation der Jagd nach dem sensationellsten Shot als aufklärerische Mahnung: „This is bad. Don‘t do that“ Ein pop-kultureller Pseudo-Pazifismus, hinter dem sich auch Civil War verstecken kann.
Der Titel Alex Garlands kalkulierten Kriegsdramas antizipiert weder eine zeitaktuelle Thematik noch politische Provokation, sondern lediglich ein kommerzieller Köder für ein maximal breitgefächertes Publikum. In ihrer soziologischen und systemkritischen Substanzlosigkeit erinnert die in martialischen Moralismus getränkte Story an ein ideologisches Malbuch, in dem alle die sich aus obskuren Gründen bekriegenden Fronten selbst ausfüllen können – in neo-libertären Konturen. Diese Farblosigkeit teilen die eindimensionalen Charaktere, deren Schicksal ihre prototypische Persona vorgibt. Von gesellschaftlichen Auswirkungen des Titelkonflikts sieht man ebenso wenig wie vom Reportage-Realität. Selbstindizierte Spoiler untergraben sowohl Sympathien als auch Spannung des Road-Movie-Plots, der seine Dynamik dem soliden Ensemble und markanten Sounddesign verdankt.
- OT: Civil War
- Director: Alex Garland
- Screenplay: Alex Garland
- Country: USA, UK
- Year: 2024
- Running Time: 109 min.
- Cast: Nick Offerman, Kirsten Dunst, Wagner Moura, Jefferson White, Nelson Lee, Evan Lai, Cailee Spaeny, Stephen McKinley Henderson, Vince Pisani, Justin James Boykin, Jess Matney, Greg Hill, Edmund Donovan, Tim James, Simeon Freeman, James Yaegashi
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