Dank Nicolas Cages bravouröser Verkörperung des unglücklichen Hauptcharakters und der im doppelten Sinne traumwandlerischen Thematik Kristoffer Borglis zweiten Spielfilms triumphiert die bizarre Melange metaphysischen Mysterys und medienkritischer Metapher sogar über dessen Schwächen. Eine davon ist der allzu plakative Versuch einer lukrativen Kombination der subjektiven Surrealismus Darren Aronofskys mit dem grotesken Grauen Ari Asters. Der fungiert ironischerweise als Produzent der sardonischen Satire, die ähnlich Borglis sadistischen Spielfilmdebüts auf eine Reihe dankbarer Motive zielt – willkürlicher Ruhm, ebenso willkürliche Ächtung, „Cancel Culture“ und gesteigertes Geltungsbedürfnis – und letztlich keines trifft. Nicht die einzige Gemeinsamkeit der beiden Filme, die wie zwei Interpretationen des gleichen Grundkonzepts wirken.
Der Hauptunterschied liegt in dem Rest Empathie und Sympathie, die der Regisseur und Drehbuchautor seinem Protagonisten Paul Matthews im Gegensatz zur weiblichen Hauptfigur von Sick of Myself zugesteht. Wie sie sehnt der unscheinbare Biologie-Professor sich nach Anerkennung, wenn auch in moderaterem Maße und für seine Fachkenntnis statt für das psychologische Phänomen, das dem Familienvater zu ungenannter medialer und sozialer Popularität verhilft: Bekannte und Fremde sehen Paul in ihren Träumen als passiven Zuschauer, was ihm begeisterte Studenten, mehr eheliche Romantik und einen Deal mit der Marketing-Firma des yuppiehaften Trent (Michael Cera) und die Chance auf Veröffentlichung eines lange geplanten Biologie-Buches verschafft.
Alles ändert sich abrupt, als aus den Träumen Alpträume werden. Das Szenario ist wie geschaffen für einen Horror-Thriller, zu dem sich die paranormal angehauchte Story unwillkürlich wiederholt zu entwickeln scheint. Doch Borglis boykottiert die unheimliche Atmosphäre mit der selbstgerechten Häme und dem moralistischen Machismo seines filmischen Vorgängers. Aus dem werden ganze Szenen nahezu identisch übernommen, was die Unterentwicklung der potenzialreichen Prämisse noch deutlicher macht als das abstruse Schlusskapitel. Das verwirft die zuvor aufgebauten Strukturen zugunsten einer karikaturesken Konsumkritik, die wirkt wie aus einem komplett anderen Film. Womöglich dem dritten, der sich dann seinerseits aus dem ausreichend amüsanten Traumtagebuch bedienen wird.
Wie so oft ist es Nicolas Cages intensive Darstellung, die in diesem Fall aus Kristoffer Borglis parodistischer Persönlichkeitsskizze mehr macht als eine gehässige Groteske. Die zwischen Unheimlichem, Unterbewusstem und Unwirklichem changierenden Bilder verdichten sich zu einer parapsychologischer Phantasmagorie über Projektion, Popkultur und Product Placement. Das in elliptische Abstraktion driftende Unfertige der Story passt auf paradoxe Weise zum wortwörtlich traumhaften Tenor einer Inszenierung, die besser als eine filmische Kollektion absurder Episoden funktioniert denn als einheitliche Erzählung. Das opportunistische Fazit, dass selbst die hypnagogischen Hirngespinste vor dem postmodernen Konsumterror nicht sicher seien, steht dabei in bezeichnetem Widerspruch zur mediale Manipulation negierenden Haupthandlung.
- OT: Dream Scenario
- Director: Kristoffer Borgli
- Screenplay: Kristoffer Borgli
- Country: USA
- Year: 2023
- Running Time: 100 min.
- Cast: Lily Bird, Nicolas Cage, Julianne Nicholson, Jessica Clement, Star Slade, David Klein, Kaleb Horn, Liz Adjei, Paula Boudreau, Marnie McPhail, Noah Lamanna, Tim Meadows, Dylan Baker, Maev Beaty, Marc Coppola, Krista Bridges
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