Gruselig, aber seltsam faszinierend nennt die junge Lily (Anya Taylor-Joy) die emotionale Apathie ihrer entfremdeten Kindheitsfreundin Amanda (Olivia Cooke) und spricht damit indirekt für Cory Finley, dessen stilisiertes Regiedebüt ebenso zwischen Anziehung und Ablehnung mäandert wie die Hauptfiguren. Beide bleiben kryptische Chiffren für den subtilen Korrosionseffekt sozialer und familiärer Entfremdung, deren Ursachen im Zuge der Verselbstständigung bedeutungslos geworden scheinen. Mit süffisanter Neugier und betrachtet die schwarzhumorige Satire distanziert ihre Charaktere als Fallbeispiele hochgezüchteter Soziopathie, deren Verortung in der Oberschicht einen unterentwickelten Ansatz zur Systemkritik markiert.
Demonstratives Desinteresse an sentimentaler Manipulation ist ein hübscher Schachzug einer Inszenierung, deren unterkühlte Ironie die rationalisierte Amoral der Protagonistinnen unterstreicht. Die mehr durch ihre ebenbürtige Intelligenz denn Zuneigung verbundenen Jugendlichen durchlaufen einen zynischen, angesichts der allgegenwärtigen Brutalität und Egomanie jedoch konsequenten Reifeprozess von reinen Produkten ihres Umfelds zu dessen aktiven Gestalterinnen. Der Mordplan und dessen Ausführung werden zum bizarren Selbstbefreiungsakt. Lily emanzipiert sich nicht nur von ihrem sadistischen Stiefvater Mark (Paul Sparks), sondern akzeptiert ihre wahre Natur. Die ist nicht minder kaltblütig als Amandas.
Letzte bekennt als Einzige den Mangel an zwischenmenschlicher Affektivität, den alle Figuren in unterschiedlicher Form aufzeigen. Die von totem Prunk und aseptischem Modernismus geprägte Szenerie erstickt jede Empathie: lästiger Ballast für die Elite. Deren seelische Degeneration kontrastiert die makellose Erscheinung, die Lilys Familie anstrebt. Dem unsichtbaren Zwang der Klassenhierarchie entkommen weder der Möchtegern-Gangster Tim (Anton Yelchin) noch die berechnenden Freundinnen. Einziger Trost in dem deutlich die Theaterwurzeln des Regisseurs verratenden Psychothriller ist Amandas Traumvision einer Swift‘schen Utopie, die zu Filmanfang und -ende zweifach eliminiert wird.
- OT: Thoroughbreds
- Regie: Cory Finley
- Drehbuch: Cory Finley
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2017
- Laufzeit: 93 min.
- Cast: Anya Taylor-Joy, Olivia Cooke, Anton Yelchin, Paul Sparks, Kaili Vernoff, Francie Swift, Leah Procito, Stephanie Atkinson, Max Ripley, Chaunty Spillane, Xavier Dillingham
- Kinostart: 09.08.2018
- Beitragsbild © Universal