“Der Film kommt an erster Stelle. Immer.” Sebastian (Gael Garcia Bernal) ist ein Idealist, in der Filmkunst und im Leben. So sieht er sich, so inszeniert er sich. Sebastian ist ein brillanter Inszenator. Darum folgt die spanische Filmcrew bedingungslos dem jungen Regisseur, der in Bolivien ein Historienepos drehen will. Icíar Bollaín ist die geistige Schwester ihrer Hauptfigur. Gleich Sebastian konzentriert die spanische Regisseurin sich in También la lluvia – Even the Rain auf einen kritischen Moment in der bolivianischen Geschichte. Beider Handlung basiert auf realen Begebenheiten, beider Handlung treibt die Gier. Gier nach Gold, Gier nach Geld. Und die Geschichte wiederholt sich – in Bollaíns doppelbödigem Drama und vor der Kamera Sebastians.
Beide, der spanische Oscar-Kandidat También la lluvia und der Film im Film handeln von spanischen Eroberern und indigenen Widerstandskämpfern, von Unterdrückung und Krieg. Christoph Columbus soll im Zentrum von Sebastians Produktion stehen. Doch weder Sebastian noch Bollaín sind Freunde von Heldenepen. Sebastian will den Mythos um den wohl berühmtesten Seefahrer demontieren. Sein Werk soll die Spanier als nach Reichtum und Gold gierende Eroberer und Versklaver der Indios darstellen. Über die Budgetsorgen des Produzenten Costa (Luis Toscar), die mit einem Wasserkrieg eskalieren, stellt Sebastian seine Vision: “This confrontation is going to end. But our film is going to last forever.“
Bollaín, die Regisseurin des fiktionalen Regisseurs, zerstört in ihrem kritischen Blick auf die Parallelen von Vergangenheit und Gegenwart Sebastians eigenen Mythos: das Bild des Gutmenschen, von dem der Hauptcharakter vor allem sich selbst überzeugt hat. Bald jedoch droht nicht nur Sebastians Film, sondern seine Ideale zu scheitern. “Es geht immer um Geld“, sagt Sebastian. Das Unrecht in all seinen Schrecken will Sebastian den Augen der Welt enthüllen. Am Ende enthüllt er nichts – außer, dass er so selbstherrlich und besessen ist wie jeder, der in das Land kommt, um es einzunehmen. Die Rüstungen sind Anzügen gewichen. Konzerne und korrupte Politiker reißen die Ressourcen und mit ihnen die Macht an sich. Selbst der Regen darf, wie der Filmtitel anspielt, nicht mehr von der Bevölkerung gesammelt werden.
“Und so dreht sich das große Rad des Kommerz“, mahnen den Regisseur seine eigenen Dialoge. Sebastian ist nicht der einzige Filmemacher der Berlinale, der in den Abgrund seiner eigenen Inszenierung taumelt. Die mise-en-abym, wie der Film im Film im Französischen kongenial heißt, ist ein beliebtes Subthema der diesjährigen Berlinale. Ironischerweise entkommt ihm auch Icíar Bollaín, die Regisseurin von También la lluvia nicht. Für jeden guten Charakter, der sich als korrumpierbar enthüllt, muss ein materialistischer geläutert werden.
Ein konsequent bitteres Ende könnte dem Erfolg des ambivalenten Dramas abträglich sein. Und ganz so schlecht ist Geld nicht, stellt Bollaín klar. Gefragt, wie er trotz der Blockaden aus der Stadt gelangen wolle, erwidert Costa: “Mit Geld.” Das funktioniere immer. Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden. Wird schmutziges Geld, wenn es für eine gute Tat verwendet wird, sauber? Die in der Szene implizierte Frage steht offen bis zum Filmende im Raum.
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