Jeder kennt die Redewendung, wir hätten die Welt nicht von unseren Eltern geerbt, sondern geborgt von unseren Kindern. „Wir haben nichts geborgt. Wir haben gestohlen“, stellt die Forscherin und Umweltaktivistin zu Beginn von Lorenz Knauers seichtem Dokumentarfilm klar. “Wir stehlen noch immer und wir müssen etwas dagegen tun.“ 1934 wurde Valerie Jane Goodall in London in materiell beschränkte Verhältnisse geboren. Nicht einmal ein Fahrrad konnten ihre Eltern ihr kaufen, dennoch sie es weiter als jeder Altersgenosse: nach Afrika, einen Kontinent, der damals auf der Landkarte noch von weißen Flecken markiert war. Diese Reise steht am Beginn der Filmbiografie, die nie der Faszination und Brillanz des Lebensweg der Verhaltensforscherin und Umweltaktivistin gerecht wird.
Fast so alt wie die Verhaltensforscherin ist ihr erster Affe. Ganz kahl ist Stoffaffe Jubilee, ein Kindheitsgeschenk des Vaters, vom vielen Streicheln. Ohne finanzielle Mittel und wissenschaftliche Ausbildung kam sie mit 23 Jahren nach auf den fremden Kontinent. „Nur ein Stift, ein Notizbuch und Leidenschaft.“ Diese Leidenschaft brennt ungebrochen. „ Motivation färbt ab“, lächelt Goodall sie über ein Affenmaskottchen, das ihr Freund und Berufsmagier schenkte. Leider nicht auf Knauers Reportage. Faszinierend ist an der konventionellen Inszenierung einzig deren Protagonistin. Kommentare von Angelina Jolie und Pierce Brosnan, die kaum Autorität auf dem zentralen Fachgebiet besitzen, sind ebenso deplatziert wie trivial. Noch schlimmer der Popsong, der leierkastenartig und mit absurder Frömmelei fragt, ob alles Berufung war.
Goodalls wissenschaftliche, ökologische und politische Errungenschaften sind nicht Gottes Werk, sondern ihr eigenes. Die chauvinistischen, sexistischen und elitären Widerstände, die sie bezwang, werden zugunsten von Abenteuerromantik marginalisiert. Die Natur verklär Knauer zum allseits geachteten, behüteten Idyll, dessen jüngste Generation von Beschützern nur auf ihren Einsatz warten. Dabei schreiten Artenausrottung und Klimakatastrophe weiter fort und die wenigen Zugeständnisse, welche dem Planeten gemacht wurden, drohen gestrichen zu werden. Die oft schleppend inszenierte Vortragsreise atmet mehr Opportunismus als aufrichtiges Interesse für die zentrale Persönlichkeit, ihr Fachgebiet und Anliegen. Ein weiterer trauriger Beweis, dass ihr Kampf längst nicht gewonnen ist.
- OT: Jane’s Journey – Die Reise der Jane Goodall
- Regie: Lorenz Knauer
- Drehbuch: Lorenz Knauer
- Produktionsland: Deutschland
- Jahr: 2010
- Laufzeit: 105 min.
- Cast: Jane Goodall, Pierce Brosnan, Angelina Jolie
- Kinostart: 02.09.2010
- Beitragsbild © Universum Film