Gruselig ist schon die Prämisse: Doris Dörrie monetarisiert mittels einer Verfilmung die Ereignisse im Freiburger Lorettobad. Deutschlands einziges Damenbad kam 2017 in die Schlagzeilen, als sich ortsansässige Seniorinnen echauffierten, dass auch aus der Schweiz angereiste Muslimas den Titelort besuchten. Burka auf der Badewiese, Burkini im Becken – das versetzte einige Stammschwimmerinnen in Rage. Es endete in Handgreiflichkeiten und Polizeiaufmarsch. Schließlich fand sich ein diskreterer Weg, die Schweizerinnen zu vergraulen: männliches Badepersonal. Deutschland von seiner schlimmsten Seite.
So absurd die Ereignisse scheinen, sie sind leider Tatsachen. Die großteils auf den unbenannten Schwimmbad-Schauplatz beschränkte Handlung orientiert sich grob an der Realität. Was den witzlosen Klamauk problematisch macht, sind die Figurendarstellung und Perspektive. Zweite präsentiert ausschließlich die deutsche Sicht, die als begründete Ablehnung unabhängig von religiöser und sozialer Identität dargestellt wird. Die deutsch-türkische Studentin Yasemin (Nilam Farooq) und die Altfeministinnen Eva (Andrea Sawatzki) und Gabi (Maria Happel) sind Sprachrohre komödiantisch kaschierter Intoleranz.
Wer weniger diskriminiert, verfolgt finanzielle Interessen wie die bestechliche Badleiterin (Lisa Wagner) und Würstchenverkäuferin Kim (Nico Stank) oder hat wie eine lesbische Aktivistin das Beuteschema Burkini. Selbigen trägt Yasemin sogar daheim. Trans Frau Kim wird von einem Cis-Schauspieler wie ein verkleideter Mann dargestellt, sämtliche Frauen lechzen nach dem Bademeister (Samuel Schneider), der als einziger vernünftig handelt, und Emanzipation bezweckt lediglich sexuelle Eskapaden. Die in der bigotten Bade-Burleske entlarvten Ressentiments sind die der Regisseurin.
Exkremente im Schwimmbecken, die Doris Dörrie als humoristisches Highlight zelebriert, sind eine treffende Allegorie dieses filmischen Symptoms der Malaise des White Feminism. Die kunstlose Inszenierung präsentiert xenophobe Übergriffe zum absurden Culture-Clash und Toleranz als opportunistische Selbstdarstellung politisch Ahnungsloser. Fat Shaming, Transphobie, Islamophobie und Sexismus liefern geschmacklose Gags, die den ideologischen Tenor unmissverständlich vermitteln. Die der passabel gespielten Historie zugrunde liegenden realen Begebenheiten waren zum fremdschämen. Dörries Interpretation des Vorfalls ist es noch mehr.
- OT: Freibad
- Director: Doris Dörrie
- Screenplay: Doris Dörrie, Karin Kaci, Madeleine Fricke
- Country: Germany
- Year: 2022
- Running Time: 103 min.
- Cast: Sabrina Amali, Ilknur Boyraz, Nilam Farooq, Maria Happel, Julia Jendroßek, Sema Poyraz, Andrea Sawatzki, Samuel Schneider, Nico Stank, Lisa Wagner, Melodie Wakivuamina
- Release date: 21.09.2022
- Image © Constantin Film Verleih