Nicht alle Pointen in Tanya Wexlers kokettem Sittengemälde können mit dem nonchalanten Charme der Taglines mithalten, doch das zuverlässige Ensemble trägt den kurzweiligen Kostümfilm zum Glück durch die seichten Passagen. Letzte sind das Symptom der obligatorischen Romanze, die der üppig ausgeschmückten Erfindungsgeschichte es Vibrators in die Quere kommt. Wohl nicht zufällig geschieht das immer dann, wenn aus Gesellschaftssatire unumwunden Gesellschaftskritik wird. Das revisionistische Potenzial des Plots scheint nur noch blass durch die Patina der adretten Rom-Com, die ihre delikate Thematik mit soviel verschämter Vorsicht handhabt, als hätte die Viktorianische Ära in den Köpfen der Produzenten nie geendet.
Der bodenlose Abgrund aus Sexismus, Misogynie und Quacksalberei, der hinter der befremdlichen Behandlungsmethode eines von ängstlichen Männern zusammenfantasierten Frauenleidens steckt, wirft nur andeutungsweise seinen Schatten auf die leichtfertige Handlung. Die verzagt fast, wenn sie Prüderie und Pedanterie des überdeutlich von den Sympathieträgern Mortimer Granville (Hugh Dancy) und Charlotte Dalrymple (Maggie Gyllenhaal) getrennten Establishments bespöttelt. Den progressiven Geist, den das Drehbuchautoren-Duo Jonah Lisa Dyer und Stephen Dyer ihren Helden zuspricht, lässt die Story allerdings vermissen. Charlottes unabhängige Gesinnung wird abgehackt und korrigiert, auf vermeintlich angenehme Weise wie die Probleme der Damen im Wartezimmer von Dr. Dalrymple, Sr. (Jonathan Pryce).
„Die direkteste und erfolgreichste Behandlung, die wir Frauen bieten können“, sagt der reaktionäre Mediziner über die Sex-Therapie, deren Effektivität indirekt die vordergründig belächelten Mythen bestätigt. Drängen sich einmal die weniger dekorativen Facetten der Epoche in den vorhersehbaren Weg zum obligatorischen Happy End für alle Beteiligten, werden Kohärenz und Glaubhaftigkeit gleichermaßen überstrapaziert. Ein paar originelle Seitenhiebe, versteckt in der Szenerie, sind ein schwacher Ausgleich für den Mangel an Mut, Bissigkeit und Hintersinn. Von der facettenreichen Filmidee bleibt eine mehr von Tatsachen inspirierte, denn historisch fundierte Romanze, die bei weitem nicht mit der Innovation des zentralen Handlungsobjekts mithalten kann.
- OT: Hysteria
- Regie: Tanya Wexler
- Drehbuch: Jonah Lisa Dyer, Stephen Dyer
- Produktionsland: UK
- Jahr: 2011
- Laufzeit: 100 min.
- Cast: Maggie Gyllenhaal, Hugh Dancy, Jonathan Pryce, Felicity Jones, Rupert Everett, Ashley Jensen, Sheridan Smith, Dominic Borrelli, Anna Chancellor, Kim Criswell, Georgie Glen, Elisabet Johannesdottir, Gemma Jones, Kate Linder, Teresa Mahoney
- Kinostart: 22.12.2011
- Beitragsbild © Universum