Was geschieht, wenn physische Extreme aufeinander treffen, erlebt Jack Black, der in Rob im Fanatsy-Abenteuer in die Fußstapfen eines Riesen der klassischen Literaturgestalten tritt. Was beim Aufeinanderprallen intellektueller Extremen filmisch passieren kann, zeigt Rob Lettermans Interpretation von Swifts Roman.
Postverteiler Lemuel Gulliver (Jack Black) ist ein kleiner Mann bei der New Yorker Zeitung und auch geistig keine große Leuchte. Um die von ihm heimlich umschwärmten Journalistin Darcy (Amanda Peet) zu beeindrucken, unternimmt er für einen kleinen Zeitungsbericht eine Seereise. Die führt ihn auf die unbekannte Insel Lilliput. Den Einheimischen ist er zumindest physisch haushoch überlegen. Die Bewohner des Miniaturkönigreichs feiern Gulliver, der sich als allmächtiger Herrscher seiner eigenen Welt ausgibt, als Helden. Doch Größenwahn schafft auch Riesenprobleme.
Den Hauptteil der Handlung bringt der Titelheld damit zu, Lilliput in sein persönliches Spielzeug-Reich zu verwandeln, wo er selbst von jeder Reklametafel blickt und sich als Held populärer Werke vom Musical bis zu Star Wars und Titanic feiern lässt. Ähnlich verfährt die Filmadaption mit der Romanvorlage. Gullivers Reisen sind im Kino nur eine. Nach Laputa, zu den Houyhnhms, Balnibarbi, Glubbdubdrib oder gar ins mysteriöse Japan verschlägt es ihn nie. Die Neuverfilmung pisst auf Swifts vielschichtiges Fantasiereich, wie eine verräterische Szenen praktisch vorführt. Brillante Gesellschaftssatire wird zur uninspirierten Fantasy-Komödie. Jack Black in der Hauptrolle ist ein gewisser Trost. Nur leider führte Black nicht Regie und schrieb auch nicht am Drehbuch mit. Der optisch größte Mann vor der Kamera war dahinter anscheinend ganz klein. Auf traurige Weise passt dies auf die Unverhältnismäßigkeit, mit der Letterman den Literaturklassiker verfilmt. Ein Minimum an Handlung inszenierter er mit riesigem Aufwand. Lilliput XXL.
Gulliver lernt, nicht mehr im Kleinen zu denken und erkennt den Wert innerer Größe. Dass die im Widerspruch zur physischen oder gesellschaftlichen Größe stehen kann, führen ihm der selbstherrliche General Edward (Chris O´Dowd) und arme Horatio (Jason Segel) anschaulich vor. In seiner schüchternen Liebe zur Lilliputaner-Prinzessin Mary (Emily Blunt) spiegelt Horatio seinen neuen Freund, der nicht wagt, Darcy seine Gefühle zu gestehen. Als wäre die Parallele nicht augenfällig genug, überbetont Letterman die äußere Ähnlichkeit Horatios und Gullivers. Ermutigt der Riese den Kleinen, wirkt dies als würde Gulliver eine Miniaturverkörperung seines Egos emotional aufbauen. In der amateur-psychologischen Selbsttherapie der Hauptfigur geht der Film noch einen Schritt weiter. Mit Prinzessin Mary und Horatio spielt Gulliver seine Annäherung an Darcy durch wie mit Puppen, deren Größe die Lilliputaner praktischerweise haben. Selbst den kindlichen Zuschauern gefriert hier das Lächeln. Gullivers Verhalten hat etwas Perfides. So als sage man dem besten Freund: „Spring mal vom Klettergerüst runter. Wenn alles gut geht, spring ich auch.“
Später erfährt Gulliver am eigenen Leib, wie es ist, anderer Spielzeug zu sein. Doch das psychologische Potenzial der Umkehrung nutzt Letterman lediglich für ein paar plumpe Albernheiten. Es gibt kleine Leute, winzig, winzig kleine Leute, sagt Gulliver nach seiner Reise. Kleingeister, deren Horizont nie von den Strahlen der Fantasie erleuchtet wurden. Und es gibt Geistesriesen, deren Vorstellungsgabe so gigantisch ist, dass sie alle Ketten sprengt. Auch die, welche die kleinen Leute ihr anlegen. Doch beim Untergang der Sonne der filmischen Weisheit werfen selbst Zwerge große Schatten – auf die Leinwand.
- OT: Gulliver’s Travels
- Regie: Rob Letterman
- Drehbuch: Joe Stillman, Nicholas Stoller, Jonathan Swift
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2010
- Laufzeit: 90 min.
- Cast: Jack Black, Jason Segel, Emily Blunt, Amanda Peet, T.J. Miller, Billy Connolly, Chris O’Dowd, Catherine Tate, Emmanuel Quatra, Olly Alexander
- Kinostart: 10.02.2011
- Beitragsbild © Twentieth Century Fox