Der Schmerz könne gelindert werden, sagt der Doktor zu Ignat (Oleg Vasilkov), doch die Krankheit sei unheilbar. Doch die menschliche Hauptattraktion in Alexej Mizgirevs desolatem Seelenkabinett leidet nicht an der diagnostizierten „Migräne“, sondern der psychopathologischen Korrespondenz mit seinem Umfeld. Die triste Steinkulisse eines Russlands im toten Winkel zwischen Postmoderne und Rückschritt ist die Bühne, auf der die verlorenen Figuren sich buchstäblich ad absurdum führen lassen. Die geradezu genussvoll pessimistische Handlung umreißt eine schwammige Systemkritik ohne Dramatik, Tiefblick und analytische Zielsicherheit.
Der Regisseur will verstören, aber dazu reicht seine monotone Abarbeitung individueller und sozialer Verrohung nicht. Eher erzeugt sein clowneskes Drama einen dumpfen Überdruss ähnlich dem des gemaßregelten Hauptcharakters. Er soll den leicht verrückten Deserteur Artyom (Azamat Nigmanov) überführen. Die Tour wird zu einer erdrückend symbollastigen Reise entlang diverser gesellschaftlicher und psychischer Abgründe, alle gähnend, vor Bodenlosigkeit oder vor Langweile. Groteske und Psychogramm reiben sich aneinander, statt den beabsichtigten synergetischen Effekt zu entwickeln. Der Plot scheitert gemeinsam mit den hoffnungslosen Figuren.
Die Gestalten, denen der Offizier und Gefangene begegnen, erfüllen müde die Aufgabe, die ihnen das Drehbuch zugedacht hat: sie weisen mit dem Finger anklagend auf Missstände oder verkörpern sie. Wer in der von toter Propaganda verblendeten Szenerie überhaupt ein Unrechtsbewusstsein hat, fühlt keine Reue. Er werde sich nicht entschuldigen, beharrt Ignat, der mit dieser Verweigerung paradoxerweise seine Schuld zementiert. Mizgirev schwingt den Holzhammer gern und oft, doch Ignats Dickschädel knackt er nicht. Dem Publikum verursacht er dafür umso mehr Kopfschmerzen.
- OT: Konvoy
- Regie: Alexey Mizgirev
- Drehbuch: Alexey Mizgirev
- Produktionsland: Russland
- Jahr: 2012
- Laufzeit: 81 min.
- Cast: Oleg Vasilkov, Azamat Nigmanov, Dmitry Kulichkov, Ruslana Doronina, Ivan Akhadi, Daniela Stoyanovich, Evgeniy Antropov, Taras Kolyadov, Alexey Gnilitsky, Nikolay Kochura, Nikolay Maltsev
- Beitragsbild © Berlinale