Mehr als eine Dekade nach Pan‘s Labyrinth kehrt Guillermo del Toro zurück in das kindliche Märchenreich, wo naiver Symbolismus und düstere Realität ineinander übergehen. Die stumme Hauptfigur Elisa (Sally Hawkins) könnte eine erwachsene Version der kleinen Heldin seiner mit Preisen überhäuften Fantasy-Fabel sein, so sehr erinnert sie in ihrer Verträumtheit und Verletzlichkeit an Ofelia. Das Spanien der Franco-Diktatur ersetzen die USA während des Kalten Krieges, dessen Schatten die in Musicals evozierten 30er und 40er als romantisierte Zeit des Friedens erscheinen lässt. Del Toros nostalgisch gefärbte Re-Imagination der 60er spiegelt auf inszenatorischer Ebene die Perspektive der Charaktere, verbunden durch ihren Status als Ausgeschlossene einer einem quasi-faschistoiden Normverständnis gehorchenden Welt.
Diese Filmwelt sieht keinen anderen Zweck als einen militärischen in der Amphibien-Kreatur (Doug Jones, der Faun in Pan‘s Labyrinth), die in einem geheimen Regierungslabor gefangen gehalten wird. Elisa und ihre Kollegin Zelda (Octavia Spencer) sind Reinigungskräfte in diesem menschengemachten Labyrinth, dessen monströser Wächter der sadistische Colonel Strickland (Michael Shannon) ist. Der seinerseits den Zorn seines militärischen Vorgesetzten Hoyt (Nick Searcy) fürchtet. Stricklands Privatleben eines amerikanischen Mustermanns ist die karikierte Realversion der Werbestereotypen, die Elisas Nachbar Giles (Richard Jenkins) vergeblich zu verkaufen versucht. Elisas homosexueller Freund resigniert ebenso wie die in einer lieblosen Ehe gestrandete Zelda vor der Einsamkeit, zu der alle außerhalb des restriktiven sozio-politischen Ideals prädestiniert scheinen.
Doch die zarte Romanze, die zwischen den beiden gleichermaßen der Lautsprache unfähigen Protagonisten aufblüht, ist zwar inspiriert durch The Creature from the Black Lagoon, ankert selbst jedoch fest im Magischen Realismus. Dessen eigene Logik sieht Elsa zugleich als Erlöserin und zu Erlösende, eine wortwörtlich dem Wasser entsprungene Fremde unter ihren Mitmenschen. Die brillant zwischen Tragik und Komik changierende Sally Hawkins scheint eine kuriose Verkörperung Aphrodites, aber ist als solche eine ideale Partnerin für den in seiner Amazonas-Heimat als Gott verehrten Kiemenmann. Bei diesem eleganten Verknüpfen klassischer und moderner Mythen mit verspielter Poesie bewegt sich del Toro erzählerisch ebenso kunstvoll wie seine Helden in dem titelgebenden Element.
- OT: The Shape of Water
- Regie: Guillermo del Toro
- Drehbuch: Guillermo del Toro, Vanessa Taylor
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2017
- Laufzeit: 123 min.
- Cast: Sally Hawkins, Richard Jenkins, Olivia Spencer, Doug Jones, Michael Shannon, Michael Stuhlbarg, Nick Searcy
- Kinostart: 15.02.2018
- Beitragsbild © Fox