Pingelige Historiker mögen behaupten, die entscheidende Sezession im Leben Abraham Lincolns sei die von elf Südstaaten vor dem Bürgerkrieg gewesen und nicht der Tod seiner Mutter durch einen Vampir. Solchen Pedanten stopft der streitlustige frühere US-Präsident das Maul. Ebenso verfährt der Titelheld (Benjamin Walker) von Timur Bekmambetovs Fantasy-Action Abraham Lincoln: Vampir Hunter mit sämtlichen Gegnern, die selbiges ihm gegenüber zu weit aufreißen. Besagte Kieferübung ist die überzeugendste mimische Leistung, an der sich der Regisseur und Co-Produzent kaum satt sehen kann.
Dass dies für das Publikum nicht unbedingt gilt, vergisst Bekmambetov nur allzu gerne im Eifer des Gefechts, in welches Abraham oft gerät und dabei beweist, dass Hiebe schlagkräftigere Argumente sind als Worte. Die richtet der rabiate Republikaner, augenscheinlich im Voraus um deren Historizität wissend, quasi direkt an das Kinopublikum. Als Tribut an den Massengeschmack lässt er dabei vorzugsweise Fäuste sprechen. Dass Abes an Martial-Arts erinnernde Kampftechnik im bescheidenen Hogdenville um 1818 gelehrt wird, scheint unglaubwürdig, aber muss wohl stimmen. Biografisch fundiert ist immerhin auch die Axt, die der Staatsmann neben großen Reden schwingt. Das für Präsidenten eher untypische Relikt aus seiner Zeit als Schienenbauer, das sich als probates Mittel gegen Blutsauger bewährt, legt er auch nach dem Wahlsieg nicht aus der Hand. Vielmehr nimmt die Axt kollektive Blutrache an der Vampir-Sippe von Jack Barts (Marton Csokas), dessen Fehde mit Lincoln Jr. schon zu Zeiten Lincoln Seniors (Joseph Mawle) ihren Anfang nahm. Anlass dazu gab das Blut, das in Nancy Lincoln (Robin McLeavy) floss, bevor Barts sie aussaugte. Über seine “Engelsmutter” sagte der reale Lincoln, er verdanke ihr alles.
Demnach landet die abstruse Action-Mär einen Blindtreffer, indem sie das Kindheitserlebnis zur biografischen Sezession macht. Lincoln wird glühender Abolitionist; gegenüber dem Vampirismus wohlgemerkt, nicht der Sklaverei. Nicht dass Abe ein Sklaventreiber wäre! Ronald Reagans Satz “Einige meiner besten Freunde sind…” endet bei Abe mit “Schwarze“. Als Junge verbindet ihn eine Freundschaft mit einem Farbigen, fast wie bei einem anderen amerikanischen Helden: Huckleberry Finn. Nur heißt der von Abe Gerettete Will (Anthony Mackie) und existiert allein als dramaturgischer Beweis, dass nicht alle wohlhabenden Weißen Blutsauger waren. Es gab auch Nette, denen Schwarze gern dienten, wie in Vom Winde verweht oder Birth of a Nation oder eben Abraham Lincoln Vampirjäger, nur dass der kein rassistischer Filmklassiker ist. Er ist einfach nur rassistisch. Sklaverei läge in der naturgegebenen Gesellschaftsordnung, räsoniert Abes Erzfeind Adam (Rufus Sewell): “Wir sind alle irgendjemandes Sklaven.” Für diese Feststellung hat der Obervampir, der mit seinesgleichen Sklaven als Blutvorrat missbraucht, nach eigener Aussage 5000 Jahre gebraucht.
Abe indes ist geistig flinker. “Ein Freund ist jemand, der die gleichen Feinde hat wie man selbst“, sagte einst der echte Lincoln. Um die Vampire zu vernichten, bekämpft Lincoln ihre Existenzgrundlage – die Sklavenhaltung. Seine Politik motiviert nicht Humanismus oder Demokratismus, sondern Blutdurst, den von jenem seiner Feinde nur unterscheidet, dass er nicht existenziell motiviert ist. Das abzuwendende Horrorszenario ist nicht Sklaverei, sondern die Versklavung der angloamerikanischen Herrschaftsklasse durch Invasoren aus den Karpaten, die via Vampirbiss patriotische Amerikaner infizieren und die Lincoln aufgrund der Denunzierungen seines Mentors Henry (Dominic Cooper) findet. Bekmambetovs Held sichert durch die Vereinigung von privatem und politischem Kampf seine Berufslaufbahn: “Wenn Vampire jagen sich nicht ausweitet, brauche ich eine Karriere, auf die ich mich stützen kann.“
Eine solche ist dem von Co-Produzent Tim Burton bereits für das Drehbuch seines ebenfalls vampirlastigen Dark Shadows verpflichteten Seth Grahame-Smith, der auch die belletristische Vorlage zum in Produktion befindlichen Pride and Predjudice and Zombies fabrizierte, im Liefern witzloser Hollywood-Stoffe offenbar sicher. Manche Charaktere seien einfach zu interessant, um zu sterben, sagt Henry einmal. Vampir Hunter Abraham Lincoln ist keiner davon.
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