Zusammengepfercht im Dunkeln kauern die halb verhungerten Aliens. Sie bringen weder technischen Fortschritt noch überirdische Weisheit. Sie wollen etwas von den Menschen: Asyl. Halb Mockumentary, halb Sci-Fi-Comedy, imaginiert Neill Blomkamps Spielfilmdebüt die gesellschaftlichen Ressentiments gegenüber allem Fremden als futuristische Parabel. Das Raumschiff der Gestrandeten ist Schrott, einfach zurück ins All schicken kann sie also niemand. Gelandet ist das Raumschiff nicht in New York oder L.A., sondern in Johannesburg. Die Einwohner haben genug Probleme. Konfliktpotenzial from Outer Space ist das Letzte, was sie brauchen. Im titelgebenden Auffanglager werden die Aliens geduldet, bis die Menschen sich über ihr Vorgehen geeignet haben. Das kann dauern.
Unterdessen hausen die Wesen in Müll-Baracken, ernähren sich von Abfällen und sammeln Elektroschrott. Wer damit Kohle macht, kauft Katzenfutter, mit dem die Aliens abgehen wie auf Drogen. Menschliche Dealer profitieren von der Abhängigkeit: Whiskas gegen Waffen. Letzte funktionieren nur mit Alien-DNA, eine intergalaktische Kindersicherung, die das Militär fieberhaft zu knacken versucht. Der Regisseur und Drehbuchautor besinnt sich auf die Etymologie des Begriffs alien. Dass Menschlichkeit und Menschen nicht unbedingt als Package kommen, kriegen die Aliens auf brutale Weise zu spüren, wenn etwa ihr Nachwuchs verbrannt wird: “Kling wie Popcorn rösten!” Aberwitzige Interviews mit den Bürgern Johannesburgs karikieren die üblichen Vorurteile und Intoleranz gegenüber Zuwanderern.
Die Straßen pflastern Warnschilder: “Humans only“. Für die Umsiedelung der Aliens ist wie üblich eine Behörde zuständig. Im Zuge dieser Eskalation verliert der Plot die ebenso ungewöhnliche wie clevere Metapher aus dem Fokus und schlägt den Pfad von konventioneller Sci-Fi-Action ein. Der bei seiner Arbeit für die für das Auffanglager zuständige Behörde mit Alien-DNA infizierte Wikus van der Merwe (Sharlton Copley) findet sich plötzlich auf der anderen Seite des sozialpolitischen Grabens wieder. Seine Allianz mit dem Außerirdischen Christopher Johnson (Jason Cope) und beider Kampf gegen eine von der Regierung angeheuerte Söldnertruppe kann die Demaskierung von Hass und Apathie angesichts fremder Not nur unzureichend weiterspinnen.
Womöglich hatte Blomkamp am Ende Angst vor der eigenen Courage, die seinen Überraschungshit bedrückend nah an die Realität rückte. Mit etwas Glück geht es dem Publikum während des dramaturgischen Rückzugs auf sicheres Unterhaltungs-Terrain ähnlich wie Wikus. Etwas von der beißenden Sozialkritik bleibt hängen. Und das verändert für immer.
- OT: District 9
- Regie: Neill Blomkamp
- Drehbuch: Neill Blomkamp, Terri Tatchell
- Produktionsland: USA, Neuseeland, Südafrika
- Jahr: 2009
- Laufzeit: 112 min.
- Cast: Sharlton Copley, David James, Jason Cope, Vanessa Haywood, Louis Minnaar, Kenneth Nkosi, Nick Blake
- Kinostart: 09.09.2009
- Beitragsbild © Sony