Es sind die kleinen Details, die am beredtesten in Gabrielė Urbonaitės unprätentiöser Skizze eines Umbruchs sprechen. Wie ein Gemälde Mikalojus Konstantinas Čiurlionis‘, eines jenseits seines Heimatlandes kaum bekannten Malers des Symbolismus. An jenem orientiert sich denn auch die Regisseurin und Drehbuchautorin für ihr filmisches Bild eines Happy Ends, das der konservativen Konvention eines solchen diametral entgegensteht. Der unbewusste Zwang zu mittelständischen Mustern, die von Eltern und Großeltern vorgelebt wurde, ist ein Kernthema der exemplarischen Story.
Deren junge Protagonistin möchte mit 30 ein gesetztes Familienleben führen. Dazu hat die 29-jährige Ilona (Zygimante Elena Jakstaite) bereits einen heiratswilligen Partner in Matas (Sarunas Zenkevicius) und eine spießige gemeinsame Neubauwohnung. In der hängt ein Bild Čiurlionis‘ wie ein letztes Relikt nie ausgelebter Kreativität. Jene lässt Ilona spontan raus, nachdem der ukrainische Bauarbeiter Oleg (Roman Lutskyi) während der Sanierung des Gebäudes zufällig den Künstler erkennt. Eine impulsive Lüge im flüchtigen Gespräch wird zu einer kuriosen Wahrheit.
Gefragt nach ihrem Beruf behauptete Ilona gegenüber Oleg, sie schriebe Gedichte – und fängt daraufhin tatsächlich damit an. Als Voiceover begleiten ihre knappen assoziativen Texte fortan das Geschehen. Leise humoristische Szenen beiläufiger Beobachtung enthüllen die Risse unter der adretten Fassade Ilonas durchgeplanter Zukunft. Deren vermeintliche Sicherheit und Geborgenheit demonstrieren scheinbar nebensächlich Momente als falsche Versprechen. Man opfert sein ganzes Leben, damit Eltern, Ehemann und Kinder zufrieden sind, und ist am Ende doch allein, resümiert eine alte Nachbarin bitter.
In lichten, plastischen Aufnahmen im 16mm Format fängt Gabrielė Urbonaitė die stille Wandlung ihrer Protagonistin ein. Deren mentale Befreiung ist vor allem die aus einem selbst geschaffenen Gefängnis bourgeoiser Normen. Deren systematischer, sozialer und institutioneller Druck bleibt indes unsichtbar. Genauso vernachlässigt wird die elementare Frage, in wie fern der Zwang zu konservativen Kernfamilie spezifisch und symptomatisch für einen akdemistischen Mittelstand ist. Der Schatten der Sowjet-Ära lastet gewichtig über dem symbolträchtigen Szenario, aber verdichtet sich nie zu einem konkreten politischen Zeitbild.
- OT: Renovation
- Director: Gabrielė Urbonaitė
- Year: 2025