Wie sehr man Laurent Slamas dritten Spielfilm auch aufgrund seines Zelebrierens von Freundschaft statt Romantik loben möchte: Den flüchtigen Charme der spielerischen Stadttour untergraben letztlich das Air materieller Privilegierung und die fast schon systematisch anmutende Übernahme toxischer Tropen. Deren markanteste sind das Konzept, eine Frau sei ohne männliche Gesellschaft unglücklich, sowie die Suggestion, suizidale Tendenzen seien nur ein Hilfeschrei und aufdringliches Verhalten sei liebenswert und zum Besten der bedrängten Person. Jene ist US-Expat Elisabeth (Agathe Rousselle).
Ihr Nachname Vogler verweist darauf, dass der Regisseur entweder ein eingeschworener Ingmar-Bergman-Fan ist oder die Protagonistin als Alter Ego sieht. “Elisabeth Vogler” ist der Name einer der Hauptfiguren aus Bergmans Persona und zugleich das Pseudonym, das Slama für seine vorherigen Filme verwendete. Womöglich setzt er bei den Namen seiner Figuren auch so gerne auf konservative Klischees wie bei deren Charakterisierung und Interaktion. Im stylischen kosmopoliten Setting von Paris trifft die depressive Elisabeth Elijah (Alex Lawther).
Ihr lebensfroher Landsmann ist im Handlungsjahr 2024 in der französischen Hauptstadt, um Athleten für die Olympiade zu coachen, und gibt seiner von ihrem Immobilien-Job genervten Zufallsbekanntschaft Elisabeth obendrein Training in urbaner Unbeschwertheit. Ihre Hörbeeinträchtigung wird zum dramaturgischen Accessoire, einerseits ableistische Allegorie mangelnder emotionalen Sensitivität, andererseits Vehikel behaupteter Originalität, die niemand auf der Leinwand besitzt. Die fahrige Handkamera und impulsive Inszenierung wirken wie eine kalkulierte Indie-Imitation von Before Sunset, deren platonische Liaison sich ein Hintertürchen zur Romantik immer offen lässt.
Auch wenn man Agathe Rousselle gefühlt ewig dabei zuschauen könnte, wie sie voll materialistischer Melancholie durch Paris driftet, vermag Laurent Slamas platonische Partnerschaftsstory nichtmal ihre überschaubare Laufzeit von 77 Minuten zu füllen. Stil und Substanz wirken gleichermaßen hohl in der manierierten Inszenierung, deren strategische Systemkritik echt Einsichten verwehrt. Die finanziellen und strukturellen Privilegien des stereotypen Protagonisten-Paares übergehen die artifizieller Arthaus-Ästhetik schwelgenden Kameraaufnahmen. Motive wie soziale Vereinsamung, Depression und kapitalistische Bürokratie sind nur dramaturgische Deko ohne narratives Gewicht.
- OT: A Second Life
- Director: Laurent Slama
- Year: 2025