“Leben als Erwachsene” lautet der passendere Originaltitel Greta Scaranos generischer Geschwister-Komödie. Deren Buchvorlage von Damiano und Margherita Tercon, den realen Vorbildern der ungleichen Hauptfiguren, trifft allerdings noch besser den Geist der verzuckerten Fließband-Familienstory: „Mia sorella mi rompe le balle“ – „Meine Schwester geht mir auf die Nerven“. So fühlt nicht nur der 40-jährige Omar (Yuri Tuci) beim Wiedersehen mit seiner Schwester Irene (Matilda De Angelis). Deren geregeltes Leben wird aus der Bahn geworfen, als sie sich unvermittelt um ihren autistischen Bruder kümmern soll.
Um zu wissen, was sie erwartet, bräuchte die Protagonistin eigentlich bloß einen der zahllosen anderen Filme schauen, der die Rain Man Nummer variiert. Die meisten dieser Werke tun das merklich unterhaltsamer und kreativer als die Regisseurin, deren selbstverfasstes Drehbuch der filmischen Vorlage in Konservativismus und Klischeelastigkeit nicht nachsteht. Der Ausgang der Handlung lässt schon die Synopsis erahnen. Die für eine Solarzellen-Firma arbeitende Protagonistin ist erst wenig angetan von der Aufforderung ihrer Mutter und Omars, ihm beizubringen, „wie man erwachsen ist“.
Ein paar spontane Karaoke-Nummern und Lastenrad-Touren mit Omar später ist Irene natürlich überglücklich, endlich familiäre Verpflichtungen zu haben. Dass Frauen mit Karriere statt Kindern insgeheim unglücklich sind, ist nur eine der reaktionären Tropes. Von denen wimmelt die paternalistische Story, in der Ableismus und Chauvinismus konkurrieren. Neurodiverse Menschen erscheinen hier einmal mehr als wandelnde Alleinunterhalter, die allerorts gute Laune verbreiten. Die Suggestion, der 40-jährige Omar müsse das Erwachsensein erst lernen – zudem von einer jüngeren Person – reduziert Menschen mit mentalen Herausforderungen zu großen Kindern.
Diesen Eindruck verstärkt die Inszenierung auf visueller Ebene. Omars Lasten-Fahrrad wirkt wie ein übergroßes Dreirad, seine Manierismen kindlich, und obwohl selbstständig, lebt er daheim bei Mami. Die Mutter-Kind-Konstellation wird durch Irene nicht etwa gelöst, sondern auf sie übertragen. Vormals unabhängig, aber vermeintlich unerfüllt vom erfolgreichen Single-Leben, darf sie sich fortan um Mann und Kind in Personalunion kümmern. Diese verzuckerte Bigotterie verpackt Scarano in die austauschbare Ästhetik bildungsbürgerlicher Unterhaltung. Materielle Sorgen existieren in dem schöngefärbten Szenario ebenso wenig wie Diskriminierung und strukturelle Hindernisse.
Jegliche emotionale Authentizität und dramaturgisches Momentum der angeblich biografisch inspirierten Geschichte untergräbt das kommerzielle Kalkül Greta Scaranos konformer Quasi-Coming-of-Age-Story. Neurodiversität wird infantilisiert und verniedlicht, ihre komplexen Herausforderungen jedoch ausgeblendet. Verpflichtung verkauft die vorhersehbare Story als Verantwortung und emotionale Manipulation als Warmherzigkeit. Fade Gags wirken ähnlich forciert wie die konstruierten Konflikte, denen das passable Schauspiel keine dramatische Dynamik verleihen kann. Soziologische Substanz untergraben glatte Narrative. Deren glatte TV-Optik stellt Gefälligkeit über Glaubhaftigkeit. Aufdringlicher Soundtrack und pittoreske Szenenbilder unterstreichen die aufdringliche Anbiederung der scheinheiligen Feel-Good-Familienstory.
- OT: La Vita da Grandi
- Director: Greta Scarano
- Year: 2025