Die stilistische Ambition Paula Tomás Marques’ historiographischen Langfilm-Debüts ist überdeutlich, doch gerade die opake Optik verdunkelt letztlich die ebenso relevanten wie vernachlässigten Themen dieses Geister-Spiels über Film, historische Auslöschung und queere Repräsentation. Jedes dieser Gebiete liefert eine ganz eigene Komplexität und ein Konfliktpotenzial. Deren visuelle und dramatische Aufarbeitung und Analyse überfordert hoffnungslos die schemenhafte Story. Jene erstreckt sich auf zwei zeitlich verschiedene Realitätsebene. Die Haupthandlung zeigt einen Filmdreh im heutigen Portugal, die Nebenhandlung dessen historischen Stoff.
Jener ist ein Biopic über das von Verfolgung und Stigmatisierung geprägte Leben der Titelfigur, die genau wie ihre Darstellerin João (June João) non-binär ist. Während der Regisseur die gewaltvollen und tragischen Aspekte Liberadas Lebens in den Vordergrund stellen will, geht es João um die Sichtbarkeit aus der Geschichtsschreibung weitgehend ausgelöschter oder umgeschriebener queerer Persönlichkeiten und Wahrhaftigkeit. Diese Anforderungen verfolgen sie bis in den Schlaf, den spukhafte Visionen der echten João heimsuchen. Die Grenzen zwischen Part und Persönlichkeit zerfließen.
Dass beide Joãos den gleichen Namen tragen, der zudem der Name Marques Hauptdarstellerin ist, unterstreicht die Verbindung von Geschichte und Gegenwart sowie die diffizile Beziehung zwischen Realität und Fiktion. Diese Verflechtung übersetzt die Inszenierung unterschiedliche Texturen, Formate und Forme. Federzeichnungen, Buchseiten, sepiafarbene Historienszenen und digitale Gegenwartsaufnahmen überlagern einander oder verformen sich vom einen zu anderen. De Grenzen zwischen gelebter und erfundener Geschichte, Text und Meta-Text, damals und heute sowie schließlich Diesseits und Jenseits verwischen.
Basierend auf realen Protokollen der Inhaftierung und Folter historischer queerer Figuren konzipierte Paula Tomás Marques ihren täuschend glaubwürdigen Titelcharakter. Seine Persona überlagert zunehmend die der Darstellerin im Film-im-Film. Dessen Dreharbeiten lassen das unübersichtliche Themenfeld weiter ausufern: Wer soll queere Geschichte darstellen? Wie authentisch ist queere Geschichte, gefiltert durch straighte Perspektiven? Kamerafrau Mafalda Fresco übersetzt dieses undurchsichtige Geflecht an Themen, Motiven und Konzepten in gleichsam vielschichtige Bilder, die Distanz und Durchsichtigkeit des Inhalts jedoch noch mehr verschleiern.
- OT: Duas Vezes João Liberada
- Director: Paula Tomás Marques
- Year: 2025