Drei junge Mädchen an der Grenze zum Erwachsensein, ein geheimnisvolles Gewässer und eine magische Pforte in eine andere Realität: Die narrativen Elemente Vojtěch Strakatýs zweiter Spielfilm-Arbeit sind mit ihren Anklängen an Märchen und Mythen ebenso verlockend wie Stanislav Adams geheimnisvolle Kameraaufnahmen. Untermalt von Amelie Sibas und Kryštof Kříčeks sanft melodischem Soundtrack verleihen sie dem malerischen Waldschauplatz, an dem sich der Großteil der magisch-realistischen Handlung entspannt, eine Aura des Verwunschenen. Dieses stimmungsvolle Szenario voller psychologischen und parabolischen Potenzials fesselt die Zuschauenden ebenso wie die weiblichen Hauptfiguren.
Bětka (Lucie Fingerhutová) und ihre gleichaltrige beste Freundin Alma (Nikola Kylarová) verbringen ihren letzten gemeinsamen Sommer mit einem Urlaubsaufenthalt an dem malerischen Waldsee. Bětkas ältere Schwester Marie (Eliška Bašusová) betreut die beiden 15-Jährigen, die bei einem heimlichen Ausflug auf der Seeinsel eine mysteriöse Quelle entdecken. Dort begegnen sie auch der jugendlichen Aneta (Sofie Anna Švehlíková), die vor einem Jahr in das schlammige Wasser tauchte, und von der Erfahrung tief verändert wurde. Die metaphysische Metapher für die körperlichen und psychischen Veränderungen während der Pubertät ist überdeutlich.
Dieses Offensichtliche beeinträchtigt kaum den Reiz der filmischen Fabel, die zwischen Coming-of-Age, Freundschaftsdrama und Fantasy mäandert. Das schafft erst die Ladung patriarchalischer Stereotypen und toxischer Narrative, mit denen Strakatýs Drehbuch die Leistungen seiner Crew und Cast untergräbt. Den eklatanten Mangel an Gespür für weibliche Figuren bestimmte bereits sein Kino-Debüt After Party. Dessen konservative Klischeelastigkeit übertrifft sein voreingenommenes Jugenddrama, das jede Figur zum seelenlosen Klischee mit konstruierten Konflikten reduziert. Bětka bettelt mit Ritzen um Aufmerksamkeit, Alma ist todtraurig, dass ihre Eltern ihr einen USA-Aufenthalt spendieren.
Marie hat ein Alkoholproblem und repräsentiert das misogyne Konstrukt „gestörten Essverhaltens“. Die unglaubwürdig verknüpften Handlungsbögen sagen nichts über weibliches Heranwachsen, dafür umso mehr über cis-männliche Vorurteile. Jene mischen sich mit reaktionären Ressentiments. So beschränkt wie die Charakterisierung sind das restriktive Mittelstands-Milieu und die heteronormative Einheitlichkeit der Gruppe. So vielversprechend das Ausgangsszenario ist, so frustrierend ist dessen Entwicklung. Nach ermüdender Stagnation, in der sich weder die Figuren noch der Plot weiterentwickeln, finden die Ereignisse zu einem abstrusen Ende, dessen klebrige Süße jegliches Mysterium und Düsterkeit auslöscht.
Hinter der ausdrucksvollen Atmosphäre und den enigmatischen Motiven Vojtěch Strakatýs dissonanter Komposition aus Mystery und Jugenddrama verbirgt sich eine abgeschmackte Ansammlung patriarchalischer Tropen. Ist der ästhetische Reiz der zurückgenommenen Kamera, lyrischen Szenenbilder und dichter Klangkulisse einmal verflogen, zeigt sich ein voyeuristischer Männerblick. Der interessiert sich mehr für jugendliche Körper als Charakterentwicklung und Schauspiel. Beides bleibt ebenso unterentwickelt wie das vielversprechende Szenario. Dessen mystische Aura sich schnell abnutzt und schließlich mit plumpen Erklärungen erstickt. Die vermeintliche Originalität bedient sich großzügig bei Céline Sciamma und Alice Rohrwacher.
- OT: Na druhé straně léta
- Director: Vojtěch Strakatý
- Year: 2025