Kalte, entsättigte Bilder, eine zeitgemäße weibliche Perspektive und ein unerbittlich pessimistischer Blick auf institutionelle Korruption und sozialen Zerfall verleihen Srđan Golubovićs Remake seines gleichnamigen Films einen schärferen Fokus als dem 2001er Original. Zweites erzählte das düstere Grundszenario als Geschichte zweier Brüder, deren jüngerer sein Talent als Sportschütze einsetzt, um seinen bei Gangstern verschuldeten Bruder zu helfen. Die in einer heruntergekommenen serbischen Kleinstadt angesiedelte Neuauflage adjustiert die Story mit einem nicht minder tödlichen weiblichen Fokus.
Während ihr nach dem Dienst im Kosovo-Krieg invalide Vater (Boris Isaković) mit seiner Schuldenlast kämpft und ihr älterer Bruder Vuk (Miodrag Dragičević) für den kriminellen Sohn des örtlichen Polizeichefs als Fahrer arbeitet, trainiert die 19-jährige Sonja (eindrucksvoll: Anita Ognjanović) für die Landesmeisterschaft im Scharfschießen. Ihre von der Mutter, die vor Jahren ins Ausland gegangen ist, erlernte Expertise ist die Hoffnung der angeschlagenen Familie, materiell über die Runden zu kommen. Soziale Mobilität verschaffen sonst nur Korruption und Kriminalität.
Beide wuchern in den deprimierenden Betonkulissen postjugoslawischen Sozialbauten, deren graue Härte die emotionale Härte und das desillusionierte Zeitbild spiegeln. Als Vuk einen Handlanger seines Vorgesetzte bei einem Mord beobachtet, sieht Sonja nur einen Weg, ihn zu beschützen. Sie setzt ihr Schusstalent auf mörderische Weise ein – doch der blutige Akt, der die Gewaltspirale beenden sollte, setzt sie erst richtig in Gang. Über sechs Episoden, verdichtet zu einem epischen Kriminalepos, entfaltet sich das pessimistische Porträt einer von Kriegstrauma, skrupellosem Sozialdarwinismus und normalisierter Korruption gezeichneten Gesellschaft.
Der Verkauf der Sportarena, in der Sonja mit gleichaltrigen Talenten trainiert, symbolisiert den Ausverkauf von Zukunftsträumen und Gemeinwohl. Während die alte Generation, die dem System ihre körperliche und seelische Gesundheit geopfert hat, in ihren beengten Hochhauswohnungen zwangsvollstreckt wird, habt die durch Vuk und Sonja repräsentierte Jugend keinerlei Perspektive. Beide geraten beim Versuch, ihre Familie zu beschützen, nur tiefer in den moralischen Morast, dem sie entkommen wollen. Sparsam dosierte Gewaltausbrüche, unterdrückte Anspannung und dumpfer Soundtrack schaffen ein atmosphärisches dichtes Szenario, das klassische Elemente effektiv aufpoliert.
Die unterschwellige Systemkritik und das schonungslose Sozialbild, in dem sich selbst unscheinbare Kleinfamilien an menschlichen Abgründen wiederfinden, brachte dem kargen Krimi, den Srdan Golubović in Co-Regie mit seinen Adepten Stefan Ivančić, Katarina Mutić und Nikola Stojanović inszenierte, in ihrer serbischen Heimat ein Verbot ein. Ein verkapptes Kompliment für die Realitätsnähe des in konzentrierten Kameraaufnahmen eingefangenen Hintergrunds ethischer Verwahrlosung und psychischer Abstumpfung. Ein starkes Ensemble, angeführt von Anita Ognjanović, zieht den Coming-of-Age-Krimi problemlos über pathetische Patzer hinweg.
- OT: Apsolutnih 100
- Director: Srdan Golubović
- Year: 2025