Obwohl es Dužan Duongs Spielfilm-Debüt kaum anzusehen ist, steckt hinter der glatt-gefälligen TV-Optik tatsächlich ein Meilenstein des tschechischen Kinos. Das ist zugleich erfreulich und frustrierend: Erfreulich, weil damit ein überfälliger Schritt in filmischer Repräsentation endlich gemacht ist. Frustrierend, weil der generationsübergreifende Genre-Mix mit seinen hohen Ambitionen sichtlich überfordert ist. Seine im Grunde simple Story verpackt das als erstes tschechische “Viet-Feature” beworbene Prestige-Projekt in eine an Rashomon angelehnte Struktur. Die zeigt das Geschehen aus drei Perspektiven.
Den Anfang macht die des Familienvaters Dung (Hoàng Anh Doàn), der mit seiner Frau und seinem jüngeren Sohn Tai (Tiến Tài Tô) im titelgebenden Jahr auf dem Asia-Straßenmarkt in Cheb sein Geld mit dem Verkauf gefakter Marken-Kleidung verdient. Obschon bereits verschuldet, leiht er sich beim Marktbetreiber noch mehr, um seinen älteren Sohn Kien (Thế Dương Bùi) nachkommen zu lassen. Während der Vater sich in korrupte Geschäfte verstrickt, tobt zwischen dem mürrischen Teenager und Tai ein Konkurrenzkampf.
Ein schwerer Unfall unterbricht das sich zuspitzende Krimi-Szenario, das die Ereignisse nochmals aus Tais Blickwinkel mit Fokus auf dessen Streiche und Aufmerksamkeitssucht erzählt. Das gleiche Schema wiederholt sich mit Kien, den wegen seines Styles die Missbilligung der Gemeinde trifft, und der mit der ersten Liebe ringt. Jede Episode hat eine eigene Tonalität, Atmosphäre und thematische Schwerpunkte, dass die Handlung in drei Genres aufbricht: Krimi, Kinderkomödie und Jugenddrama. Und die holprige Inszenierung will noch einiges mehr sein.
Generationsübergreifendes Familienporträt, Gemeinde-Bild, Zeitabriss, Migrationsdrama, Integrationsstory und Queer Cinema. Mehr als genug Stoff für eine Fernsehserie, an die auch die konventionelle Optik, stereotype Stilmittel, Cliffhanger und reichlich Rührseligkeit erinnern. Geldsorgen, moralische Dilemma, Razzien, Zerrissenheit zwischen Traditionalismus und Assimilierungsdruck, elterliche Gewalt Sprachbarrieren, Coming-out und Queerfeindlichkeit werden angeschnitten und abrupt wieder fallengelassen. Ähnlich unfertig bleiben die Charaktere. Bezeichnenderweise existiert keine einzige tragende Frauenrolle in dem psychologisch, narrativ und perspektivisch gleichsam fragmentarischen Episodenwerk, das Stereotype eher bedient als widerlegt.
Identität ist das übergreifende Motiv Dužan Duongs ambitionierten Debüt-Dramas, dessen Figuren auf sozialer, kultureller, kommunaler, familiärer und romantischer Ebene nach ihrem Platz suchen. Weibliche Sichtweisen schließt der Generationskonflikt gezielt aus. Dezentes 3:2-Format setzt auf eine zurückhaltende, doch letztlich austauschbare Ästhetik. Letztlich erschlägt die Kombination aus Zuviel und Zuwenig den überkonstruierten Plot. Für seine relevanten Themen lässt das sprunghafte Geschehen kaum Zeit. Motive bleiben unklar, Konflikte wirken aufgesetzt, Lösungen halbgar und das Ende ist verklärte Behauptung.
- OT: Summer School, 2001
- Director: Dužan Duong
- Year: 2021