Die seismographische Struktur seelischer Landschaften und Topographie traumatischer Erinnerung, die Gürcan Kelteks konzise Kurz-Doku Colony erkundete, und der meditative Mystizismus seines letzten Spielfilms Meteors verschmelzen im jüngsten Werk des türkischen Regisseurs zu einer operatischen Osmosis. Darin hinterlassen die sozialen Konstrukte neuropathologischer Normativität tiefe Narben im Geist des psychotischen Protagonisten. Dessen von anamorphen Allmachtsphantasien und abstrakten Angstvisionen zerrissener Geist spiegelt sich in der altehrwürdigen Architektur Istanbuls. Eingefangen in elegische Kamerafahrten, wird die mystische Metropole zum heimlichen Hauptcharakter.
Als solcher ist die in subjektiven Superlativen stilisierte Stadt zugleich Fixierung und Fluchtraum des ehemaligen Schauspielers Akin (Cem Yiğit Üzümoğlu). Der ist nach Jahren im gewaltsamen Griff des psychiatrischen Apparats nur ein Schatten seines früheren Ichs, ein Verlorener, verschlungen von einem unersättlichen urbanen Ungeheuer. Gestalten aus seinem Alltag vor der systematischen Stigmatisierung durch eine konstitutionierendes Krankheitsfabrikat, das sich als medizinisches Machtinstrument und gesellschaftliches Gefängnis für jene außerhalb eines repressiven Rationalitätsrahmens enthüllt, driften in seine wahnhaften Wahrnehmung.
Wie auf der Suche nach subjektiven Sublimierung seiner zerstörten Schauspielerkarriere durchstreift Akin religiöse Relikte und mystische Monumente, tastet und lauscht im verschwörerischen Flüstern des kalten Steins nach Narrativen, die in den orchestralen Szenarien der allegorischen Arie grandiose Gestalt annehmen. Eine auch nach dem Zerbrechen der Beziehung um ihn besorgte Ex-Freundin (Dilan Düzgüner) und seine alte Mutter (Ayla Algan), in deren Wohnung er sich in Phasen lähmender Trauer verkriecht, werden unwissentlich zu Akteuren seines phantasierten Pandämoniums.
Fazit:
Seine hypnotische Kraft und emotionale Eindringlichkeit zieht Gürcan Keltecs sozialpsychologische Studie weniger aus den majestätischen Motiven als seiner demaskierenden Kritik des destruktiven Einflusses psychiatrischer Institutionen auf die seelische und soziale Stabilität der in deren menschenverachtender Maschinerie gefangenen Individuen. Verfolgt von der gleitenden Kamera verliert sich Cem Yiğit Üzümoğlu in einer fragmentierten Figur, deren gewaltsam gebrochener Geist in Visionen spukhaften Spiritualismus Zuflucht sucht. Systemkritischer Scharfsinn und spektraler Symbolismus kulminieren in einem ebenso provokanten wie progressiven Panoptikums.