Wie eine geisterhafte Erscheinung tritt Teresa (eine eindringliche Manuela Martelli) eines Nachts in die archaische Welt der jungen Milena (Ana Marija Veselčić) und damit zugleich in Hana Jušićs hintergründiges Historienporträt. Dessen Eröffnungsszene etabliert neben den dramaturgischen Kernmotiven weiblicher Solidarität, (Aber)Glaubens und mystischen Zwischentönen auch deren mehrdeutige Symbolik. Teresa, wie die Fremde sich Milena und der kleinen Schäfergemeinde im ländlichen Kroatien vorstellt, könnte eine weltliche Alternative zu Milenas vergeblichen Gebeten sein – oder die Antwort darauf.
Für Milena, die von der Gemeinde wegen ihres exzentrischen Verhaltens und Äußeren verachtet wird, kommt die aus Chile angereiste Teresa wie ein Segen. Ihre strenge Frisur und das schwarze Trauerkleid stehen in aussagekräftigem Kontrast zur traditionellen, hellen Bekleidung der Hirten. Jušić betont weniger den kulturellen Unterschied als die Kluft zwischen Provinzialität und Urbanität, archaischem Brauchtum und Moderne. Der markanteste Kontrast entsteht jedoch durch Auftreten und Verhalten Teresas, die ihren verstorbenen Mann, Milenas Bruder, begraben will.
Als Fremde aus einem fernen Kulturkreis steht Teresa außerhalb der patriarchalischen Strukturen, denen sie sich von Anfang an verweigert. Milena ordnet sich dem repressiven System komplett unter und wird selbst von ihrem jugendlichen Bruder Nikola (Mauro Ercegović Gracin) misshandelt und verhöhnt. Ihre Wut kanalisiert sie in Selbsthass und spirituelle Schwärmerei, von denen Teresa sie behutsam zu befreien sucht. In ihren oft allegorisch gefärbten Szenen kommunaler und familiärer Interaktion untersucht die Regisseurin die Mechanismen und Lücken repressiver Strukturen.
Letzte zeigen sich neben den misogynen Hierarchien der Hirtengemeinschaft auch in den klerikalen Zwängen, die animistische Glaubensformen ebenso verurteilt wie Aufklärung. Zweite wird zum Schlüssel der Emanzipation, die Jušić mit Blick auf die Glaubhaftigkeit ihrer Erzählung mehr als zukünftiges Versprechen andeutet. So wie die bedrückenden, düsteren Kameraaufnahmen langsam lichteren Bildern weichen, zeigt sich den geplagten Hauptfiguren ein Hoffnungsschimmer. Der Kampf darum scheint mitunter zu einfach und der Lösungsweg zu simpel, doch Jušićs Selbstbehauptungsdrama ist zu gleichen Teilen Märchen und Zeitspiegel.
Getragen von den nuancierten Porträts ihrer Hauptdarstellerinnen entwirft Hana Jušić in ihrem zweiten Spielfilm ein historisches Gesellschaftsbild, dessen zeitliche und lokale Spezifität kaum die universellen Züge verdecken. Klerikalismus und Patriarchat zeigen sich als austauschbar und fest miteinander verzahnte Systeme sozialer Unterdrückung. Stimmungsvolle Bilder finden eine herbe Schönheit der rauen Naturkulisse, die mal Spiegel, mal Katalysator der Gefühle der Protagonistinnen scheint. Parabel und Historienstück verflechten sich zu einem expressiven Drama monumentaler Umbrüche, die sich im Kleinen offenbaren.
- OT: Bog neće pomoći
- Director: Hana Jušić
- Year: 2025