“HABT SEX!”, fordert ein überdimensionaler Schriftzug kurz vor dem Abspann Ivana Mladenovićs dritten Spielfilms, nur für den Fall, dass jemand dessen unilaterale Message nicht verstanden hat. Keinen Sex zu haben ist nach dem moralistischen Normativismus der Story zu urteilen, Anzeichen eines Defizits. Selbiges kann Attraktivität betreffen, Auswahl an potenziellen Partnern, Selbstvertrauen oder alles zusammen wie bei der alternden Stela (Ilinca Hărnuț). Die geplagte Philologin lebt in einem tristen Kaff in der rumänischen Provinz, unendlich weit entfernt von ihrem Idol Boban.
Der Schlager-Star, der an eine Mischung aus Heino und Donald Trump erinnert, ist das Ziel all ihrer Träume und Sehnsüchte. Insbesondere der sexuellen Sehnsüchte. So wälzt sich die Protagonistin nackt auf einem lebensgroßen Poster ihres angebeteten Pop-Stars und fordert ihn auf, mehr Aktion zu zeigen. Einsamkeit und Perspektivlosigkeit liefern die Grundlage für einen Großteil der abgeschmackten Gags. Die schießen auch gerne gegen strukturelle Benachteiligung, der Stela zu entkommen hofft, in dem sie der exzentrischen Vera Pop (Katia Pascariu) nach Bukarest folgt.
Die C-Prominenz Vera, deren glamouröse Erscheinung als Gegenteil der unscheinbaren Stela dargestellt wird, ist angeblich die Geliebte Bobans. Dessen Gunst scheint plötzlich zum Greifen nahe. Ist sie natürlich nicht. Denn der Motor der abstrusen Story ist eine befremdliche Verachtung für die Hauptfigur. Deren Enttäuschungen und Scheitern werden beständig verspottet, wobei die absurden Elemente der Pointen deren ätzende Arroganz kaum verbergen können. Der sittliche Culture-Clash zwischen der mondänen Vera und der mausigen Stela ist so altbacken und kischeelastig aufgeführt, dass daraus weder psychologische Dynamik entsteht noch Sozialsatire.
Die von kuriosen Kunstfiguren wie Boban und Vera Pop ausgestrahlte Dekadenz ist eine allzu seichte Karikatur der desillusionierten Apathie einer zwischen Post-Sozialismus und Spätkapitalismus vegetierenden Gesellschaft. Die Künstlichkeit der Kulissen und Kostüme verweist auf die Leere hinter den grellen Oberflächen, die Stelas urbane Episode von der monotonen Provinz-Tristesse unterscheiden. Doch diese seichte Persiflage einer als vulgär abgekanzelten Unterhaltungsbranche verrät eben jene Prüderie, die Mladenović in inaktivem Sexualleben sieht. Die patriarchalischen Wurzeln dieses Konstrukts vorgeblich notwendiger Sexualität übersieht die Handlung ebenso wie dessen lukrative Ökonomisierung.
Dass Ivana Mladenovićs wirrer Klamauk die fade Ästhetik ausstrahlt, die der Plot verhöhnt, unterstreicht die fehlende Selbstreflexion. Weder amüsant noch hintergründig, zerfällt die Handlung ins Anekdotische. Wenn etwas enthüllt wird, dann nicht emotionale oder sozialpolitische Zustände, sondern Körper. Dieses buchstäbliche bloßstellen spiegelt die Häme über Figuren, denen es sowohl an charakterlicher Tiefe als auch Entwicklung fehlt. Das chargierende Schauspiel hilft da wenig. Die Schnittstellen von Klasse, Geschlecht und Obsession werden aufgezeigt, doch niemals näher betrachtet. Statt gesellschaftlicher Realitäten entlarvt das Szenario nur sich selbst.
- OT: Sorella di Clausura
- Director: Ivana Mladenović
- Year: 2025