Archäologen-Teams arbeiten such behutsam durch Bodengestein. Ziegen suchen sich zum Grasen ein schattiges Plätzchen. Landarbeiter*innen verrichten ihr Tagwerk scheinbar unbeschwert in der sengenden Sonne. Es sind solche flüchtigen und zugleich vielschichtigen Momente, die Maureen Fazendeiros schillerndes Porträt der offenen Ebenen des Alentejo prägen. Das evokative Kinodebüt der portugiesischen Regisseurin entfaltet sich als ein filmisches Palimpsest: visuelle Spuren von Leben, Zeit und Landschaft, rhythmisch übereinander gelegt, schaffen eine ganz eigene Prägung aus Mythos, Erinnerung und Natur.
Gedreht auf körnigem 16‑mm-Film und arrangiert aus aktuellen und archivarische Material, verlässt sich die Inszenierung ebenso sehr auf Textur und Struktur wie auf Inhalte. Der Sepia-Ton gealterten Films verleiht den Bildern die Weichheit schemenhafter Rückblenden. Die Kamera verweilt oft auf dem rauen Boden und weiten Horizont, die der eindrucksvollen Landschaft ihren besonderen Charakter geben. Mit seinen satten Farben und markante Formen liefert das porträtierte Terrain eine natürliche Ästhetik, die das dokumentarische Panorama in einer physischen Präsenz verankert.
Beiläufige Interviews, Archivmaterial, Skizzen, folkloristische Lieder und überlieferte Sagen verweben sich zu einem dichten Teppich lokaler Geschichte, untermalt von Naturklängen und Volksliedern. Landarbeitende, Archäolog*innen und Historiker*innen liefern eine Collage an Perspektiven auf die Gegen und ihre Jahreszeiten. Minimalismus und Meditation bestimmen die ruhigen Einstellungen. Die oftmals zweigeteilten Kompositionen von Himmel und Erde spiegeln die Zeitlosigkeit der Themen von Naturzyklen und Arbeitsroutine. Gezeichnete Skizzen und wissenschaftliche Notizen verdeutlichen, dass auch scheinbar objektive Sichtweisen subjektiv bleiben.
Wind rauscht durchs flache Gras, Ziegenglocken klingeln, eine Stimme rezitiert ein altes Gedicht: akustische Elemente verschmelzen mit den Bildern und verstärken die immersive Atmosphäre Maureen Fazendeiros nostalgischen Landschaftsporträts. Die haptische Ästhetik zeigt das ländliche Portugal im Jahreswechsel mit stiller Poesie und beschwört dessen spukhaften Genius loci. Historisches Essay, ethnographisches Potpourri und folkloristisches Potpourri vereint Maureen Fazendeiros zu einem filmischen Herbarium. Ihre Sammlung lebendiger Texturen, Stimmen und Gesten verzichtet auf narrative Klarheit zugunsten enigmatischer Atmosphäre und taktiler Sinnlichkeit.
- OT: As Estações
- Director: Maureen Fazendeiro
- Year: 2025