Die diffizile Dynamik zwischen Mythos und Realität, Geschichte und Gegenwart, Ikonographie und Individualität bleibt ein diffuses Konstrukt im Hintergrund André Hörmanns dokumentarischen Porträts. Das erstreckt sich als ein über fast ein Jahrzehnt gespannter Lebenslauf des jungen Titelcharakters. Das Publikum begegnet Crowley zuerst im Jahr als Erwachsenen Anfang zwanzig. Da versucht er sich zu erinnern, was er auf die gleiche Frage des Regisseurs vor neun Jahren erwidert hat. Was macht einen Cowboy aus? Die Antwort darauf überlässt der Regisseur nur scheinbar seinem heranwachsenden Hauptcharakter.
Dessen Entwicklung folgt die Handlung vom selbstbewussten Schulkind, das mit seinem älteren Bruder und den Eltern auf einer Farm in Colorado lebt, bis hin zu einem jungen Mann, der 2024 im Örtchen Happy in Texas, seine Unabhängigkeit sucht. Weite Landschaftsansichten, untermalt von leicht verstimmten Gitarren-Klängen im Country-Stil, evozieren die klassischen Western-Tropes zwischen den mit Jahreszahlen verbundenen Kapiteln. Jene geben zwar einen Eindruck Crowleys physischen Heranwachsens und den Veränderungen seiner Familienstrukturen, offenbaren indes nichts über seine Psyche. Die Nuancen seiner emotionalen Entwicklung verbirgt eine undurchdringliche Fassade.
Statt diese durch Vertrauensaufbau zu überwinden, verklärt Hörmann gezielt dieses Konstrukt urwüchsiger Männlichkeit, ungeachtet aller problematischer Implikationen. Kindesmisshandlung, Klerikalismus, Konservativismus: Vor dem Hintergrund der kleinen Farm mit Pferden und einer zum Mechanical Bull umgebauten Regentonne werden unterdrückte Konflikte zum Teil eines Ideals von Tough Love und einer guten alten gottesfürchtigen Lebensweise. Deren soziale Schattenseiten wie Chauvinismus, Rassismus und Nationalismus ignoriert die euphemistische Inszenierte ebenso wie deren familiäre Ausprägungen. So wie den generationsübergreifenden Alkoholismus, den eine ältere Schwester erwähnt, oder die in den Talking Heads Interviews gestreifte emotionale Repression.
Szenario und Schauplätze André Hörmanns dokumentarischer Hommage stilisieren das Ideal eines urigen Amerikana, wie es höchstens auf der Leinwand existiert hat. Die Kamera schwelgt in erhabenen Aufnahmen endloser Ebenen, staubige Horizonte und kleinstädtische Einfachheit. Die Risse in dieser reaktionären Revision übertünchen flacher Humor und klischeehafte Kitsch-Momente. Innerhalb dieses starren kulturellen Konstrukts werden der verschlossene Protagonist und seine Familie zu menschlichen Requisiten. Familiäre Konflikte, ökonomische Unsicherheit und der politische Wandel während der abgebildeten Zeitperiode verblassen im Hintergrund eines epischen Ideals republikanischer Romantik.
- OT: The Cowboy
- Director: André Hörmann
- Year: 2025