Antike Artefakte, Altwelt-Prunk und kolonialstilistische Architektur etablieren die hegemonialen Machtstrukturen in Miguel Ángel Jiménezs imposanten Charakterdrama noch bevor dessen skrupelloser Protagonist in Erscheinung tritt. Das luxuriöse Anwesen vor erhabener Mittelmeerkulisse, auf dem sich die Handlung an einem einzigen langen Abend entfaltet, ist nicht nur Teil der Fassade des einflussreichen Unternehmers Markos Timoleon (ein subtil bedrohlicher Willem Dafoe). Das opulente Interieur, die musealen Schauräume und geheimen Hinterzimmer, sind ein Grundriss der pervertierten Psyche des einschüchternden Hauptcharakters.
Die titelgebende Party ist für seine Tochter Sofia (Vic Carmen Sonne), die nach dem Tod eines Sohnes seine Alleinerbin ist. Doch das spektakuläre Symposium, die im Laufe des Abends immer ausschweifender wird, und kostspielige Geschenke zeugen nicht von väterlicher Zuneigung, sondern deren Abwesenheit. Das einzige, das Timoleon Sofia geben kann, sind materielle Werte. So wie die Kunstgegenstände, Bücher und Raritäten in seinem Haus seine Weltgewandtheit, Bildung und seinen Status repräsentieren, markieren Sofias Geschenke öffentlich seine Wertschätzung.
Letzte knüpft sich an die Dinge, denen machiavellistische Geschäftsmann sein Leben gewidmet hat: Macht, Materialismus und Mythos. Image und Vita des Protagonisten sind so sorgfältig komponiert wie die abendliche Band-Begleitung, deren Musik organisch in den Soundtrack übergeht. Während die Feierlichkeiten bei den vornehmen Gästen immer mehr Ausschweifungen und Abstürze provoziert, demontiert Jiménez systematisch die fürsorgliche Fassade Timoleons. Um sein Erbe zu sichern, manipuliert er alte Bekannte und vermeintliche Vertraute wie seinen jungen Biographen (Joe Cole).
Die leise Tragik des zynischen Schachspiels liegt in der Verblendung und Verlorenheit der Figuren. Timoleon hat seine schrecklichen Taten vor sich selbst als gute Absichten. Sofia offenbart eine ihrem Vater ähnliche Verschlagenheit mit einer ausgefeilten Intrige. Die Statisten des abgründigen Machttheaters sind kläglich hinter ihren Fassaden von Eleganz und Erhabenheit. Korrupt, egoistisch und opportunistisch, sind sie dankbare Instrumente des gärenden Konflikts zwischen Vater und Tochter. Beide sind eindringlich verkörpert, doch Dafoes ambivalentes Charisma bleibt das Momentum des düsteren Danse macabre.
Das trügerisch idyllische Setting und die als allegorische Akzente eingeblendeten Antiquitäten wecken Assoziationen mit der griechischen Tragödie. Ein früher Verweis auf die psychologischen Abgründe Miguel Ángel Jiménez geschliffener Adaption Panos Karnezis’ gleichnamigen Romans. Dessen unterliegende Themen des schönen Scheins, Machtmissbrauchs und seelischer Grausamkeit unterstreicht die stimmungsvolle Kamera. Obwohl deren Faszination mit kostspieligen Oberflächen und reicher Dekadenz dem altväterlichen Voyeurismus eines Sorrentino gefährlich nahe kommt, fangen das präzise Schauspiel und die zwischenmenschliche Desillusionierung das finstere Familiendrama.
- OT: The Birthday Party
- Director: Miguel Ángel Jiménez
- Year: 2025