Es braucht keine Erwartungshaltung aufgrund der zumindest bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt euphemistischen Bewertung auf bekannten Aggregatoren-Websites, um von Andrew Legges dystopischem Debütwerk enttäuscht zu sein. Dazu genügt ein Blick auf die stylischen Schwarz-Weiß-Stills der Protagonistinnen neben dem Oszilloskop-ähnlichen Titelapparat und die amüsante Prämisse. „Thom“asina (Stefani Martini) und Martha „Mars“ Hanbury (Emma Appleton) können mit der von Thom konstruierten Maschine TV-Sendungen aus der Zukunft empfangen und beschließen, dies im Krieg gegen die Nazis zu nutzen.
Weil die isoliert im elterlichen Anwesen lebenden Schwestern in ihrem Zukunftsprogramm keine Sci-Fi-Filme wie den des Regisseurs und Co-Drehbuchautors hatten, wissen sie nicht, dass an der Weltgeschichte herumzudrehen drastische Folgen haben kann. Mars stellt eines Tages fest, dass ihre Bombenwarnungen dazu geführt haben, dass es keinen David Bowie gibt (jedenfalls nicht als Musiker) und auch keinen Stanley Kubrick. Weil das ihre Idole sind (genauer: die von Legge) erscheint das mindestens so schlimm wie Hitlers Endsieg.
Da Frauen in der sprunghaften Story mit Intellekt genauso überfordert sind wie mit Macht und komplexen Geräten, wechselt Thom – eine wandelnde Klischeekiste aus asexueller Wissenschaftlerin, burschikoser Intellektuellen und amoralischer Queerer – schließlich die Seiten. Mars, die Wissen, Emanzipation, Philosophie und Musikgeschmack von Männern aus Vergangenheit und Zukunft hat, und zudem im Soldaten Sebastian (Rory Fleck-Byrne) eine ordentliche (Hete)Romanze, muss Thom die Augen für deren Hybris öffnen. Denn große Erfindungen sollten Männer machen – oder idealerweise niemand.
Oona Menges‘ verkratzte Vintage-Optik und The Divine Comedy Sänger Neil Hannons sarkastischer Soundtrack sind eigentlich zu gut für die monochrome Mikro-Budget-Produktion. Deren überwiegend bei Guy Maddin geklaute Ästhetik und Exzentrik tarnen ein selbstverliebtes Sammelsurium dramatischer und psychologischer Stereotypen. Während die zeitgenössische Inszenierung möglichst gestrig aussehen will, versucht der mit patriarchalischen Stereotypen, paternalistischem Pathos und fortschrittsfeindlicher Bias versetzte Plot möglichst avantgardistisch zu wirken. Die solide gespielte Found-Footage-Fabel ist eine ebenso generische wie gimmick-hafte Calling Card.
- OT: LOLA
- Director: Andrew Legge
- Screenplay: Andrew Legge, Angeli Macfarlane
- Country: UK
- Year: 2022
- Running Time: 79 min.
- Cast: Stefanie Martini, Emma Appleton, Rory Fleck-Byrne, Hugh O’Conor, Ayvianna Snow, Aaron Monaghan, Philip Condron, Shaun Boylan
- Image © Neue Visionen Filmverleih