Es ist nur ein schwacher Trost, dass Blitz für Steve McQueen eine jener beliebigen Blockbuster-Blamagen ist, wie sie fast alle exzellenten Filmschaffenden irgendwann fabrizieren. Denn so sind das wie ein auf Action getrimmtes Dickens-Derivat anmutende Drehbuch und die inspirationslose Inszenierung vielleicht nicht nur kommerzielles Kalkül, sondern ein ernsthafter Versuch zur Würdigung der Charaktere, die in traditionellen WWII-Dramen nicht auftauchen. Allen voran die alleinstehende Rüstungsarbeiterin Rita (Saoirse Ronan) und ihren BIPOC Sohn George (Elliott Heffernan).
Der flüchtet auf der Zugfahrt zur Landverschickung zurück nach Hause. Der Beginn einer gefährlichen Odyssee voller einschneidender Begegnungen mit fabulierten Figuren wie aus David Copperfield oder Oliver Twist. Die karikaturesken Charaktertypen sind ebenso leicht in ihren hilfsbereiten oder heimtückischen Absichten durchschaubar wie realitätsfern und romanesk. Dass George einem gleichaltrigen Brüder-Trio, einem im doppelten Sinn vorbildlichen Polizisten (Benjamin Clémentine) und einem Fagin-gleichen Gauner (Stephen Graham) innerhalb weniger Stunden über den Weg läuft, ist noch die geringste Drehbuchschwäche.
Der kindliche Held entkommt einem halben Dutzend Mal dem Tod und rettet hunderte Menschenleben, aber scheitert am Londoner Busfahrplan. Seine Mutter hat unterdessen einen musikalischen Radioauftritt, meldet sich zum Freiwilligen-Dienst, schwelgt in bittersüßen Erinnerungen an Georges deportierten Vater und hat auf der verzweifelten Suche nach ihrem Sohn in Harris Dickinsons Feuerwehrmann schon einen prospektiven neuen Partner. Bürgerliche Pflichterfüllung und Restauration der konservativen Kernfamilie sind noch die harmlosesten Symptome der reaktionären Ressentiments unter der pseudoprogressiven Patina.
Mit Hans Zimmers vor Pathos triefendem Soundtrack, Special Effects und Kulissen einer zweitklassigen TV-Produktion und Nebenfiguren, deren platte Psychologie sie als Token demonstrativer Diversität enthüllt, ist Steve McQueens Kriegsdrama mehr histrionische Heuchelei als historische Aufarbeitung. Zweite will nicht nur die des Kriegstraumas sein, sondern auch der medialen Marginalisierung ausgegrenzter Gesellschaftsgruppen. Dass queere Menschen unsichtbar bleiben und die Unterschicht zum psychisch und physisch dämonisierten Feindbild gerät, macht die idealistischen Intentionen noch verlogener als die naive Nostalgie.
- OT: Blitz
- Director: Steve McQueen
- Screenplay: Steve McQueen
- Year: 2024
- Distribution | Production © Apple TV+