Der schroffe Realismus, reduzierte Einsatz von Gewalt und antiklimaktische Handlungsaufbau machen Christopher Andrews bedrückendes Spielfilm-Debüt zum unwahrscheinlichen Beitrag des Horror-Genres. Dennoch besitzt die finstere Rache-Tragödie Szenen von absolutem Grauen, die gerade durch den Verzicht auf exzessive Blutrünstigkeit ihre verstörende Wirkung entfalten. Eine nächtliche Wiese im malerischen Connemara, auf der überall grausam verstümmelte Schafe liegen und schreien oder eine quälend lange Szene, in der einem lebenden Tier die Beine abgeschnitten werden, sind Nightmare Fuel. Eben jener Nachhall von Hass und Brutalität treibt die pessimistische Story.
Deren nichtlineare Struktur verbirgt die Beweggründe einzelner Charaktere und enthüllt spät die weitreichenden Zusammenhänge der eskalierenden Ereignisse. Ein Prolog etabliert deren Kernmotiv männlicher Aggression, deren Folgen Unbeteiligte – meist Frauen – trifft. Aus Wut, dass seine Mutter seinen Vater verlässt, baut der jugendliche Michael einen Autounfall, bei dem seine Mutter stirbt und seine Freundin Caroline entstellt wird. 20 Jahre später arbeitet Michael allein auf der Schaffarm seines mittlerweile invaliden Vaters (Colm Meaney). Caroline (Nora-Jane Noone) hat mit seinem Rivalen Gary (Paul Ready) einen erwachsenen Sohn (Barry Keoghan).
Jack, von Keoghan mit der ihm eigenen Intensität verkörpert, durchläuft im zweiten Akt des düsteren Diptychons eine ähnliche Entwicklung wie Michael im ersten Akt. Beide werden von Opfern zu Tätern und diejenigen, die am schlimmsten unter ihrer Wut leiden, haben mit dem eigentlichen Konflikt nichts zu tun. Die narrative Trennung der individuellen Perspektiven, die das Geschehen spiegeln, offenbart beider Gemeinsamkeiten in einem Umfeld gleichermaßen fragiler und toxischer Männlichkeit. Beide Protagonisten fürchten ihre autoritären Väter, beide erleben die Trennung ihrer Eltern und wollen unabwendbaren Verlust gewaltsam aufhalten.
Um seinem Vater finanziell zu unterstützen, stiehlt Jack zwei von Michaels Schafböcken, um sie zu verkaufen. Michael konfrontiert ihn und Gary öffentlich, worauf sich Jack rächt, indem er Michaels Schafen grauenvoll verstümmelt. Michaels Vater fordert den Kopf des Schuldigen und Michael zieht mit dem Gewehr los. Die raue Naturkulisse wird zum landschaftlichen Pendant des harschen Umgangs und kontrastiert in ihrer Schönheit zugleich mit der menschlichen Hässlichkeit. Nasskaltes Klima und eine dumpfe, düstere Farbpalette unterstreichen die Hoffnungslosigkeit eines Szenarios, in dem sinnlose Grausamkeit sich unablässig steigert.
Angespannte, unstete Kamerabilder schaffen ein fast greifbares Klima schwelender Wut. Toxische Männlichkeit wird von einer Generation an die nächste weitergegeben und zerstört das, was sie bewahren will. Die Schafe sind einer der organische in die bittere Handlung integrierten Verweise auf die biblischen Untertöne Christopher Andrews desillusionierten Rache-Dramas. Dessen hervorragender Cast, insbesondere Barry Keoghan, vertieft die Komplexität der tragischen Figuren. Dialoge in Gälisch und Englisch deuten an den übergreifenden Konflikt archaischer Tradition und Industrialisierung, die gleichermaßen destruktive Aspekte bergen. Ein zeitgemäß trostloses Bild der menschlichen Natur.
- OT: Bring Them Down
- Director: Christopher Andrews
- Year: 2024