„Kann denn Liebe Sünde sein?“ wäre womöglich ein treffenderer Titel Martin Witz’ restaurativer Rückschau. Nicht nur, weil es einer der größten Erfolge des darin porträtierten Komponisten-Texter-Duos Michael Jary und Bruno Balz war. Die in dem bis heute in Deutschland bekannten Schlager besungene Frage – nur bezogen au die Liebe zur eigenen Karriere – schwebt unausgesprochen über der musikalischen Memoire. Die schlägt einen ähnlichen Tenor narzisstischer Nonchalance und Naivität an. Dabei wäre gerade heute ein kritischer Ton angebrachter.
Ein Hang zur Apologetik mindert neben Spannung des dokumentarischen Denkmals zweier untrennbar miteinander verwobenen Künstler-Karrieren auch dessen Aktualität angesichts des Erstarkens rechter Rhetorik. Die beklemmenden Parallelen zu der Ära, in der Jarys und Balz‘ kometenhafter Aufstieg als Hit-Lieferanten für die Drittes-Reich-Diva Zarah Leander begann, übergeht der aus einem reichen Fundus an Filmszenen, Fotos, Texten und Tonaufnahmen schöpfende Lebenslauf ähnlich geflissentlich wie die politischen Präferenzen der Protagonisten. Jene erscheinen vom nie klar ausformulierten Vorwurf der Nazi-Kollaboration rehabilitiert.
Die dazu dienenden biografischen Episoden sind keineswegs eindeutig. Exemplarisch dafür ist ein Foto, auf dem Balz der Hitler-Gruß als Parodie ausgelegt wird. Deutschland war damals wohl voll von Parodisten. Dass zwei Verhaftungen unter Paragraph 175 seine Karriere nicht bremsten, gilt ebenfalls nicht als Indiz für hilfreiche Verstrickungen mit dem Regime. Ähnlich erscheinen Jarys Studium an der heutigen UdK sowie die Diffamierung seines Abschlusskonzerts als Rechtfertigung einer Karriere nicht nur im Schatten, sondern Dienste des Nazi-Staats.
Der Reichtum biografischen und zeithistorischen Materials, effektiv eingerahmt von Interviews mit Biografen, Nachfahrinnen und Interpreten, kontrastiert mit dem Mangel kritischer Differenzierung Martin Witz‘ dokumentarischem Duetts. Dessen Relevanz liegt gerade in der nur verholen gestellten Frage nach Mittäterschaft, Moral und Möglichkeiten Kunstschaffender im Nationalsozialismus. Stattdessen wird das Schlager-Duo ideologisch und kreativ idealisiert. Kitsch wird zu Kunst, Schlager zu Swing und Durchhalte-Lieder gar zu Systemkritik. Faschistischer Terror? „Davon wird die Welt nicht untergehen“ Für die beiden jedenfalls nicht.
- OT: Im Schatten der Träume
- Director: Martin Witz
- Screenplay: Martin Witz
- Year: 2024
- Distribution | Production © Salzgeber