Im Grunde passt es, dass Kate Winselt ihrer Titelfigur nicht im Geringsten ähnelt, ist doch Ellen Kuras formelhaftes Biopic der legendären Kriegsreporterin nahezu alles, was die echte Lee Miller nicht war: konventionell, kommerziell und regelrecht konservativ in der Konzeption eines weiblichen Lebenslauf. Der signalisiert bereits durch Betitelung mit dem Vornamen – anstelle wie bei männlichen Persönlichkeiten üblich dem Nachnamen – seine filmische Verpflichtung gegenüber den Gender-Normen, denen sich die Protagonistin widersetzte, schon lange vor ihrem fotografischen Fronteinsatz.
Der war keineswegs der Einzelfall, als den die Regisseurin und ihr Drehbuchautoren-Trio John Collee, Liz Hannah und Miller-Expertin Marion Hume ihn erscheinen lassen, um Millers Vorreiterinnen-Rolle zu betonen. Dass der Verdienst von Kriegsreporterinnen dadurch geschmälert und weniger berühmte Fotografinnen wie Tania Long und Dixie Tighe unsichtbar gemacht werden, ist nicht das einzige kontraproduktive Konstrukt der Inszenierung. Jene hat den glatten Hochglanz-Look eines Modemagazins, dem das für die britische Vogue arbeitende Ex-Modell Miller stets entsprungen scheint.
Die selbst im Gefecht sichtbaren Make-up-Schichten und frisierten Haare werden zum unbeabsichtigten Emblem des fehlgesetzten Fokus der Story. Deren erste Hälfte dreht sich um Millers Beziehung mit ihrem Zukünftigen Roland Penrose (Alexander Skarsgård), den sie vor dem Nazi-Einmarsch in Paris nach London begleitet. Ist sie über den Umweg der US-Vogue mit ihrem Time-Kollegen und engen Freund Davy E. Scherman (Andy Samberg) am Kriegsschauplatz, wirkt sie wie ein Nervenbündel, das zum ersten Mal eine Kamera hält.
Dieser aufgewühlte Kontrast zu den Männern, die man nicht ihre Nerven mit Alkohol und Tabletten beruhigen sieht, bestätigt tendenziell sexistische Stereotypen von Labilität und Unprofessionalität. Ihr ikonisches Semi-Selbstporträt in Hitlers Badewanne wird auf der Leinwand zur umständlichen Staffage einer Figur, die mehr daran interessiert scheint, als Kriegsreporterin (an)gesehen zu werden, als Kriegsfotos zu machen. Diesen Eindruck verstärkt paradoxerweise ihr unablässiges Knipsen, ohne je Abzuwägen. Etwas, das auch die Regisseurin hätte mehr tun sollen.
Basierend auf Anthony Penrose biografischem Familienroman The Lives of Lee Miller definiert Ellen Kuras die legendäre Fotografin weniger durch ihr historisches Werk als die stereotypen Marker eines „Frauenlebens“: sexuelle Freizügigkeit, ihre Ehe, vermeintliches Versagen als Mutter und eine Vergewaltigung, deren befremdlich anekdotischer Bericht die Kämpferin zum Opfer reduziert. Bezeichnenderweise distanziert Kate Winselt ihre raue Darstellung bewusst von dem schematischen Porträt. Dessen formelhafte Ich-Erzählung unterstreicht die dramaturgische Unfähigkeit, der komplexen Ikone intellektuell, ästhetisch und politisch nahezukommen.
- OT: Lee
- Director: Ellen Kuras
- Screenplay: John Collee, Liz Hannah, Marion Hume
- Year: 2023
- Distribution | Production © StudioCanal