Novocaine – benutzt das im Alltag eigentlich noch jemand? Der sozial verkrampfte Protagonist Dan Berks und Robert Olsens sadistischer Crime-Comedy hat jedenfalls keinen bedarf daran. Nathan Caine (Jack Quaid) ist der eine von rund 125 Millionen mit der seltenen Erkrankung CIPA. Congenital insensitivity to pain with anhidrosis, so erklärt es der Bank-Assistenzmanager seiner heimlich umschwärmten Kollegin Sherry (Amber Midthunder), lässt die Betroffenen keinerlei Schmerz und Temperaturen empfinden. Aufgrund von Hyperthermie und des hohen Verletzungsrisikos ist die Lebenserwartung gering. Entsprechend übervorsichtig lebt Nathan – bis ein Bankräuber-Trio seine Filiale stürmt. Die Gangster nehmen Shelley als Geisel und Nathan ist entschlossen, sie zu retten.
Beim Date kommentiert Shelley beeindruckt, dass Nathans Erkrankung ihn praktisch zum Superhelden mache. Daraufhin korrigiert er, dass seine einzige Fähigkeit sei, Verletzungen zu ignorieren. Nicht das einzige Mal, dass die Regisseure ein plumpes Vorurteil scheinbar kritisch aufzeigen, nur um es wenig später ausgiebig zu bedienen. Der Filmtitel benimmt Nathans Spottnamen aus Schulzeiten. Damals amüsierten sich Bullys damit, ihn zusammenzuschlagen: macht ja vermeintlich nichts, wenn es körperlich nicht weh tut. Der Plot basiert auf dem gleichen Prinzip. Der ungelenke Held zieht sich immer fiesere Verletzungen zu, die ihm alle nichts ausmachen. Dabei ignoriert die sadistische Story, dass Schmerzresistenz nicht Superheilkräfte bedeutet.
Wenn die CIPA Wikipedia-Seite dieser Zeit ihren Aufruf-Rekord bricht, haben das Regie-Duo und Drehbuchautor Lars Jacobson wohl keinen Anteil daran. Klar muss eine Action-Comedy medizinisch nicht überkorrekt sein. Aber hier werden nicht nur physische Fakten so dumm-dreist übergangen, dass es der Handlung schadet. Literweise Blutverlust wird einfach weggesteckt, Polizeibeamte geben Tatverdächtigen freiwillig ihre Waffe und Sekundenkleber klebt Nassflächen. Die ständigen Logikbrüche sind umso ärgerlicher, da die Story denkbar schematisch ist und die immer gleiche Pointe aufzieht. Mehr Realismus hätten dem John Wick Abklatsch mehr Abwechslung und bitter benötigte Spannung verschafft. So liegt der Unterhaltungswert vorwiegend an den gut aufgelegten Darstellenden.
Ein Film wie eine kinematische Kopf-Geburt am Kneipentisch: Die Idee hat Potenzial, doch die Ausführung ist so krude, dass es fast schon weh tut. Dummheit kann eben doch schmerzen. Auf fast zwei Stunden ausgewalzt ist sie außerdem ziemlich ermüdend. Valium wäre der passendere Titel.
- OT: Novocaine
- Director: Dan Berk, Robert Olsen
- Screenplay: Lars Jacobson
- Year: 2025
- Distribution | Production © Paramount Pictures