Das titelgebende Gift in Désirée Nosbuschs statischem Spielfilm-Regiedebüt meint natürlich nicht nur die nicht näher definierten Toxine im Boden des als symbolträchtiger Schauplatz dienenden Friedhofs. Auf dem ruht das vor Jahrzehnten bei einem Autounfall ums Leben gekommene Kind des zentralen Figurenpaares. Dessen unaufgearbeitete Vergangenheit verpestet schleichend dessen Gegenwart. Zumindest die Ediths (Trine Dyrholm). Sie dominiert die Konfrontation mit ihrem Ex-Partner Lucas (Tim Roth). Der verließ sie damals ebenso abrupt wie der Sohn.
Jener geistert in Momentaufnahmen, die mal klar als Projektion erkennbar sind, mal in der Schwebe zwischen realer und imaginärer Begegnung bleiben, buchstäblich durch das stimmungsvolle Szenario. Das lebt von Judith Kaufmanns kühlen Kameraaufnahmen und mehr noch den eindringlichen Darstellungen. Genossen an deren emotionaler Komplexität wirkt die initiativarme Inszenierung erschöpfend schal, eine Erinnerung der Verankerung des Stücks auf der Bühne. Deren Restriktionen und Routine hemmen spürbar die dramatische und psychologische Entwicklung des Geschehens.
Dessen Reiz liegt in der präzisen Ausarbeitung zweier Charaktere, deren gemeinsame Geschichte Schicht für Schicht umgegraben wird, bis sich der Moment des Bruchs als eigentlicher Anlass der beidseitigen Bitterkeit enthüllt. Die Frage, in wiefern dabei gender-spezifische und gesellschaftliche Muster bedient werden, ist nicht die einzige um die sich das didaktische Drehbuch herumdrückt. Während eine Reihe soziologischer Aspekte offen belieben, werden private Punkte wieder und wieder brach gelegt, doch selbst das passt zu der reflektierten Revision.
Das Wetter, das sich nach einem Regenschauer wieder aufklärt, ist in Désirée Nosbuschs solidem Schauspielstück eine der weniger subtilen Metaphern für die implizierte Notwendigkeit versöhnlicher Vergangenheitsbewältigung. Jene steht im Zentrum des minimalistischen Dialog-Dramas, dessen wuchtige Wortlast und literarische Liturgie im Kontrast zur schauspielerischen Sensibilität steht. Mehrfach verpasst der ausgedehnte Aufarbeitungs-Prozess den Moment des Abschlusses und verfällt wie seine differenziert entworfenen Figuren darauf, die gleichen Dinge immer wieder auszugraben – sogar in der Fiktion.
- OT: Poison
- Director: Désirée Nosbusch
- Screenplay: Lot Vekemans
- Year: 2024
- Distribution | Production © Filmwelt