Wenn an Ivan Calbéracs seichter Senioren-Komödie überhaupt etwas witzig ist, dann noch am ehesten der Umstand, dass der Regisseur inszenatorisch ein ganz ähnliches Verhalten zeigt wie der im selbstverfassten Drehbuch dafür kritisierte Hauptcharakter. Der gealterte General findet beim Räumen im noblen Heim, das er mit Gattin Annie (Sabine Azéma) teilt, vier Jahrzehnte alte Liebesbriefe. Sich darüber zu echauffieren, wie François (André Dussollier) es natürlich tut, ist albern. Darum einen ganzen Film zu stricken, noch alberner.
Dabei ist albern nicht zu verwechseln mit amüsant. Zweites ist keine der vorhersehbaren Peinlichkeiten, die sich der patriarchalische Protagonist in seiner verspäteten Eifersucht leistet. Denn das seichte Sittenstück ironisiert keineswegs prüde Moralbegriffe, ehelichen Besitzanspruch oder das martialische Männlichkeitsmodell, all denen François genügen will, wenn er für eine Schlägerei mit dem vermeintlichen Konkurrenten trainiert. Der Witz ist vielmehr François Scheitern daran, das seine Gattin prompt in die Arme des anderen treibt, genauer: in dessen Swimming Pool.
Ein solcher ist für das begüterte Ensemble so selbstverständlich wie ein Spontan-Trip an den Ort des deutschsprachigen Verleih-Titels. Der eliminiert den Bezug zu Guy Mardels gleichnamigen Chanson, dessen Verklärung von Verunsicherung als Mittel zu amouröser Erfüllung wie eine Anleitung zum Gaslighting klingen. Das immerhin passt zur verkorksten Dialektik, die an verstaubter Sittsamkeit festhält, weil die damit vorprogrammierten Konflikte die Leidenschaft erst ankurbelten. Bourgeoise Heuchelei wird nicht mehr verleugnet, sondern verklärt. Zeitgemäße Komik – für Spießbürger.
Wenn Ivan Calbéracs Rentner-RomCom schließlich ein winziges Stück vom monogamen Manifest abrückt, sei es nur, um dieses in anderer Ausführung zu wiederholen, präsentiert der Regisseur das als postmoderne Progressivität. Wie solche fühlt es sich vermutlich an für das Zielpublikum der betulichen Beziehungsklamotte, deren elitäre Eheprobleme den Plot kaum in Gang halten können. Das solide Schauspiel kann den Mangel an Tempo und Originalität so wenig ausgleichen wie altbackene Rollen- und Moralschemata, die als fortschrittlich hingestellt werden.
- OT: N’avoue jamais
- Director: Ivan Calbérac
- Screenplay: Ivan Calbérac
- Year: 2024
- Distribution | Production © Neue Visionen Filmverleih