Alt sein ist der Horror. Und wenn etwas diesen schwervermeidlichen Schrecken noch beängstigender macht, dann sind es Altenheime. In solchem landet der betagte Protagonist James Ashcrofts zynischem Psycho-Thriller, der dem Motiv der dämonischen Puppe einen beunruhigend realistischen Twist verleiht. Das Böse, das die titelgebende Handpuppe antriebt, ist in dem bissigen Spielfilm-Debüt keine übersinnliche Macht, sondern ihr sadistischer Besitzer. Dave Crealy (ein famos fieser John Lithgow) nutzt die Infantilisierung und Ignoranz, die alte Menschen in Pflegeeinrichtungen meist treffen, für sadistischen Spielchen.
Der trügerisch ruhige Schauplatz eines gehobenen Seniorenheims wird für den vorgeblich senilen Protagonisten zum ethischen Freiraum. Während das desinteressierte Personal ihn für einen harmlosen Verwirrten hält, der seine Handpuppe immer dabei hat, quält Crealy die anderen Bewohnenden mit psychischen Grausamkeiten und Erniedrigungen. In Stefan Mortensen (grandios: Geoffrey Rush), der nach einem Schlaganfall in das Heim verfrachtet wurde, findet er einen ebenso misanthropischen Kontrahenten. Der ehemalige Richter besitzt trotz seiner Unfreundlichkeit einen eisernen Gerechtigkeitssinn und widersetzt sich Crealy.
Letzter fokussiert seinen unergründlichen Hass somit vorzugsweise auf Mortensen und dessen freundlichen Zimmernachbarn Tony (George Henare). Während sich Crealys Attacken gegen Mortensen beständig steigern, verlagert sich das Grauen langsam von Crealy und seiner ständigen Begleiterin Jenny Pen hin zu der gesamten Institution des Altenheims. Dessen Monotonie und Gleichgültigkeit werden zum Nährboden von Gewalt und Grausamkeit. Nicht allein Crealy treibt Mortensen immer näher zum medizinischen und mentalen Kollaps, sondern der Umstand, dass niemand etwa gegen dessen Terror unternimmt.
Der energische Hauptcharakter sieht nicht nur seinen Körper zusammenbrechen, sondern parallel das Rechtssystem, das er vertrat. Zugleich etablieren Ashcroft und sein Co-Drehbuchautor Eli Kent Crealy als Personifikation und Produkt eines scheinfrommen Systems, das alte Menschen entmündigt und vernachlässigt. Das wird drastisch deutlich, als ein Mitbewohner vor Mortensens Augen durch einen Unfall verbrennt, ohne dass jemand zu Hilfe kommt. Die Flammen visualisieren die Hölle, in der er sinnbildhaft steckt – und in der er sich selbst helfen muss.
Er fällt ein Urteil über Crealy und findet in dem einstigen Rugby-Star Tony seine Exekutive. Dabei ist der ebenso clevere wie creepy Plot bedacht, den selbstgerechten Protagonisten nicht zum Helden zu stilisieren. Die ordnungstreue Integrität, die er gegenüber Crealys aggressiver Autokratie repräsentiert, zerfällt, als Mortensen selbst zu kriminellen Mitteln greift, um sich gegen Crealy zu wehren. Eine hämische Schlusspointe unterstreicht diesen Pyrrhussieg eines Moralismus, dessen Anmaßung das gleiche Potenzial zur monströsen Megalomanie birgt wie Jenny Pen.
Inspiriert von Owen Marshalls gleichnamiger Kurzgeschichte schafft James Ashcroft einen bitterbösen Psychothriller, dessen Grauen in individueller Boshaftigkeit und systemischer Missachtung liegt. Sardonischer Humor und makabere Musik unterstreichen die heimtückische Ironie des trügerisch harmlosen Schauplatzes, der zum Sinnbild eines dysfunktionalen Systems wird. Lithgow verleiht seinem teuflischen Antagonisten eine Aura altersloser Bosheit, die in Rush rigoroser Rechtgläubigkeit ein würdiges Gegenüber findet. Verblasste Pastellfarben geben der erstickenden Kulisse eine Authentizität, die ebenso gruselig ist wie toten Augen der Titelpuppe.
- OT: The Rule of Jenny Pen
- Director: James Ashcroft
- Screenplay: James Ashcroft, Eli Kent, Owen Marshall
- Year: 2024
- Distribution | Production © Charade Films