Er könne sich nicht vorstellen, wie eine Frau, die trinkt, verachtet wird, sagt die alkoholabhängige Protagonistin Elsa Bennetts und Hippolyte Dards konformistischer Komödie einmal. Das französische Regie-Duo zeigt keinerlei Interesse, daran mit seinem lebensfernen Kinoerfolg etwas zu ändern. Auch wie der Alltag mit der Sucht aussieht oder welche physischen, psychischen und sozialen Folgen sie nach sich zieht, spielt für ihre angepasste Abstinenz-Moral keine Rolle. Die Entzugserscheinungen einer mutmaßlich jahrelangen Gewohnheitstrinkerin sind hier nicht schlimmer als ein bisschen Katerstimmung.
Letzte herrscht bei der dreifachen Mutter Suzanne (Valérie Bonneton), die nach dem Tod ihres Mannes in den Alkoholismus abgerutscht ist. Soziale und strukturelle Faktoren, die Alkoholismus fördern, bleiben unsichtbar. Nach einer Autopanne mit den Söhnen entzieht das Gericht der folgsamen Protagonistin das Sorgerecht unter Auflage eines klinischen Entzugs. Letzter steht im Mittelpunkt der euphemistischen Erfolgsstory, die dem etablierten Handlungsschema von Besserung, Absturz und Rehabilitierung folgt. Dass die Norm ein zermürbendes Klinik-Karussell von Scheinstabilisierung und Rückfall ist, wird konsequent negiert.
Die Verklärung der medizinischen Monetarisierung ist ein Hauptproblem der seichten Inszenierung. Das Personal ist hier stets fürsorglich, verständnisvoll und respektvoll. Medizinische Gewalt und entwürdigende Zwangsmaßnahmen gibt es nicht. Die Räumlichkeiten sind hell und komfortabel, Patientinnen haben Einzelzimmer. Kein Wunder, dass hier sagt die berühmte Schauspielerin Diane (Michèle Laroque) eine Auszeit nimmt. Statt sinnloser Beschäftigungstherapien gibt es einen Mechanikkurs vom herzensguten Denis (Clovis Cornillac). Er will die Frauen fit für eine Wüsten-Rallye machen. Spätestens, wenn es dorthin geht, bleibt der letzte Rest Glaubwürdigkeit zurück.
Valérie Bonneton gibt in der Hauptrolle eine solide Darstellung, doch die ist nicht genug, um dem konstruierten Lehrstück dramatische Substanz und Authentizität zu geben. Dass die Protagonistin eine mittelständische Familienmutter ist, widerspricht nicht etwa dem Klischee von Alkohol als Unterschichtsdroge, sondern garantiert vielmehr die Sympathie eines bürgerlichen Zielpublikums. Diese Tendenz belegen auch die flachen sozialen Hierarchien in der Klinik, die Klassismus systematisch verleugnen. Einerseits werden die weitreichenden Auswirkungen von Alkoholmissbrauch bagatellisiert, andererseits wird ein bewusster Entschluss zum Konsum nie als legitime Option anerkannt.
Ein „Feelgood-Movie“, das „publikumsnah auch unbequeme Themen“ anspricht, will Elsa Bennetts und Hippolyte Dards heuchlerische Humoreske sein. Nah am Publikum, das hier offenkundig ein gutbürgerliches ist, bedeutet für die generische Frauenfreundschafts-Story weit weg von der Realität. Das Thema Alkohlkonsum dient lediglich als dramatisches Instrument, das die Handlung in Gang hält. Die Charaktere sind allesamt Klischeefiguren, denen die passablen Darstellerinnen kaum Profil verleihen können. Der biedere Humor beschränkt sich auf verbale Pointen, die weder an gesellschaftlicher Mitverantwortung noch psychopathologischer Profitorientierung rütteln. Wahrhaft ernüchternd.
- OT: Des jours meilleurs
- Director: Elsa Bennett, Hippolyte Dard
- Year: 2024