Wahrscheinlich ist es Butterscotch. Es ist nicht Penelope (Mia Wasikowaska), denn sie ist mit ihrer zornigen Entschlossenheit der rationale Anker einer Story, die ohne sie ins Surreale abheben würde. Denn die bodenständige Frontier-Frau vertritt mit Schrotflinte und einer Ladung Dynamit den Gegenentwurf des Stereotyps, das der Titel zitiert. Es ist nicht Parson Henry (David Zellner), der in Wahrheit kein Pfarrer ist, weil er den Anzug und die zerfledderte Bibel von einem Typen an der Postkutschenhaltestelle überlassen bekommen hat. Denn der armselige Säufer sucht in der absurden Wild-West-Vision, die Zellner mit seinem Bruder, Co-Regisseur und Co-Darsteller Nathan Zellner ersinnt, vergeblich einem Retter, ob Native, Fremde oder ein Typ von der Kutschenhaltestelle.
Es ist nicht Samuel Alabaster (Robert Pattinson), der möchtegerngebildete Möchtegern-Bräutigam, der schnulzige Balladen sing und dem Penelope wie allen männlichen Protagonisten erklären muss, dass sie keines Retters bedarf. Die Damsel jener nonchalanten Parodie eines Genres, das am lächerlichsten dasteht, wenn es am ernsthaftesten auftritt, ist Butterscotch (Daisy). Das nach Penelopes zweitliebster Süßigkeit benannte Pony ist mit der gekämmten Mähne quintessenzielles Sinnbild der aberwitzigen Akkuratesse, mit der die Zellner-Brüder den Western in einem Zug mit Huldigung und Hohn überhäufen. Eine groteske Auswahl der angestammten Tropen, vom einzelgängerischen Trapper über den saufen Prediger bis zum noblen Wilden begegnen Butterscotch auf ihrer Reise, doch alle sind eine Nummer größer, kleiner oder verrückter.
In dem zurückgenommenen Tempo, getragen von unerschütterlicher Gelassenheit, die bereits Kid-Thing und Kumiko, the Treasure Hunter auszeichneten, erzählen unternehmen die Regisseure eine elliptische Tour durch eine Szenerie, deren malerische Naturschönheit von abstoßenden Markern einer verkommenen Zivilisation entstellt ist. An diesem einsamen Ort ohne Namen und Jahreszahl ist die Chance auf einen Neuanfang wie eine Postkutsche: Wenn die Protagonisten ungeduldig darauf warten, kommt sie nicht. Und wenn sie kommt, dann, wenn niemand darauf gewartet hat. Klassische Klischeetypen sind bloß noch Rollen, die sich die Charaktere mit ihrer Kleidung buchstäblich wie Kostüme anziehen. Idealismus hallt hier so verloren hohl wieder wie das Echo einer Jahrzehnte entfernten Hippie-Philosophie: „All I want is love!“
Nathan und David Zellner spielen auf amüsante Weise mit den Tropen eines Genres, das wie kein Zweites für das fiktive Konzept einer heroisierten Vergangenheit steht. Ihre schwarzhumorige Dekonstruktion der paternalistischen WASP-Ideale, von denen der Western und die amerikanische Gegenwartskultur bis heute zehren, unterwandert die Publikumserwartungen mit schonungslosem Nihilismus, ätzendem Witz und famosen Darstellern – nicht zu vergessen die patenten Statisten Daisy, Bugsy, Stormy, Zorro, Mindy und Mork.
- OT: Damsel
- Regie: David Zellner, Nathan Zellner
- Drehbuch: David Zellner, Nathan Zellner
- Produktionsland: USA
- Jahr: 2017
- Laufzeit: 113 min.
- Cast: Robert Pattinson, Mia Wasikowska, David Zellner, Nathan Zellner, Robert Forster, Joseph Billingiere, Morgan Lund, Ray Kelleher
- Beitragsbild © Berlinale